Die Sextherapie: Roman (German Edition)
Möblierung, nichtssagende Bilder an den Wänden und der unvermeidliche Flipchart auf einer Staffelei.
Verity Parrish hüstelte neben ihr.
»... und ich bin sexsüchtig«, beendete Shelley den Satz.
Achselzuckend ließ sie den Blick über die Gruppe schweifen. Jeder trug ein Namensschild. Neben Shelley saß eine attraktive, wenn auch ein wenig verlebt wirkende Dame von Mitte vierzig, die Rose hieß. Sie kam Shelley irgendwie bekannt vor, wahrscheinlich aus einem längst vergessenen Artikel in einer Boulevardzeitung.
Links von Shelley hatte ein kultivierter Mann von Anfang vierzig Platz genommen. Sein Name war Will. Ihr gegenüber befanden sich von links nach rechts Abigail, Cliff, Cheryl, Cian und Larry. Verity hatte sie einander noch nicht vorgestellt. Die Aufgabe lautete, dass alle ein bisschen von sich erzählen sollten, bevor die eigentliche Sitzung begann. Im Laufe des Kurses in der nächsten Woche würde jeder von ihnen offen und schonungslos berichten müssen, warum er hier war – ein Sprung ohne Netz und doppelten Boden in die Exzesse, die ihn zu der Einsicht geführt hatten, dass er Hilfe brauchte. Shelleys Zeitschrift interessierte sich nicht dafür, ob diese Menschen geheilt wurden und was aus ihnen werden würde. Luder wollte nur die saftigen Einzelheiten aus ihrer Vergangenheit erfahren, nichts über das gesündere, aber auch langweiligere Leben nach der Therapie.
Shelley versuchte, ihre Mitpatienten unauffällig zu beobachten. Diese schienen das Gleiche zu tun, mit Ausnahme von Larry, der aus dem Fenster starrte. Nach Shelleys Einschätzung war er der Einzige, der jünger war als sie.
Shelley hatte sich heute als Erste gemeldet, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie ihre Geschichte als Letzte würde erzählen müssen, was sie sehr erleichterte. So hatte sie mit ihrer Beichte bis Freitag Zeit. Allein bei dem Gedanken daran brach ihr schon der Schweiß aus. Sie war nämlich eine miserable Lügnerin und konnte zudem nicht auf einschlägige Lebenserfahrung zurückgreifen. Wie sollte sie eine sexbesessene Krankenschwester nach einem anderthalbjährigen Aufenthalt in Australien spielen, wo sie doch eine wie eine Nonne lebende Journalistin war, die seit achtzehn Jahren in Clapham wohnte?
»Berichten Sie uns bitte noch ein wenig mehr von sich, Shelley. Sie brauchen noch nicht ins Detail zu gehen«, forderte Verity sie in aufmunterndem und leicht gönnerhaftem Ton auf.
Shelley holte tief Luft und versuchte, sich die Legende ins Gedächtnis zu rufen, die Aidan sich für sie ausgedacht hatte. »Äh...«, fing sie an. »Ich bin Krankenschwester und habe Schwierigkeiten bekommen, weil ich mit einem Patienten geschlafen habe.« Sie stellte fest, dass Cian sie angrinste und den Daumen in die Luft reckte. »Offen gestanden habe ich mit mehr als einem Patienten geschlafen«, fuhr sie fort, worauf Cliff und Cheryl die Ohren spitzten. »... und auch mit einigen Ärzten...« Will strich sich übers Kinn und musterte ihre Beine. »... außerdem mit ein paar anderen Schwestern...« Rose zog eine Augenbraue hoch. »... und einmal ist ein Video von mir im Internet gelandet.« Larry fuhr hoch. »... man hat mich im Krankenhaus splitternackt und mit Riemen an einen Rollwagen gefesselt aufgefunden.« Abigail merkte interessiert auf. »... deshalb bin ich fristlos gekündigt worden«, sprach sie weiter. »Mein Bruder bezahlt meine Therapie hier. Er möchte verhindern, dass ich die Familienehre weiter in den Schmutz ziehe.«
Als Shelley geendet hatte, wurde sie von ihren sieben Leidensgenossen in verschiedenen Stadien der Neugier gemustert – von unverhohlen lüstern (Larry) bis ungläubig (Abigail).
»Das war’s«, meinte Shelley bedrückt und setzte sich.
»Danke, Shelley«, sagte Verity. »Wer möchte als Nächster?«
»Ich«, antwortete Rose. Sie hatte einen langen blonden Pferdeschwanz und einen starken Cockney-Akzent, als sei sie der Fernsehserie EastEnders entstiegen. Bekleidet war sie mit engen Jeans und einem Oberteil, das jede Menge Dekolleté zeigte. Statt aufzustehen, beugte sie sich vor und stützte die Hände auf die Knie. Offenbar hatte sie ihre Ansprache schon seit einer Weile vorbereitet und wollte, dass sie richtig rüberkam.
»Ich war früher Pornostar«, begann Rose. »Einige von Ihnen kennen mich vielleicht. Ich bin unter dem Namen Rose Saintly aufgetreten.«
»Ja«, sagte Cian. Larry neben ihm nickte ebenfalls.
Rose zwinkerte den beiden zu und fuhr fort. »Doch das ist jetzt
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