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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Schwarzweißfoto
     nur eine Farbe in Erscheinung treten konnte: Rot. Dunkles Scharlachrot.
    Ich kannte den Hut, in
     Technicolor. Er hatte neben Ros’ Leiche gelegen.
    Als ich aufsah, ging mein
     Atem schnell und flach. »Wo haben Sie das her?«
    »Aus ihrem Privatjet«,
     sagte Ben.
    »Warum haben Sie mir
     nichts davon erzählt?«
    »Ich war mir nicht
     sicher, was es zu bedeuten hat.«
    Es ist etwas Großes, hörte
     ich Ros sagen. Größer als Hamlet?, antwortete meine Stimme. Größer…
    Du musst dem Weg folgen, den
     es dir weist.
    Bisher hatte es zu zwei
     weiteren Toten geführt. »Es ist alles meine Schuld«,
     sagte ich mit hohler Stimme, während meine vagen Schuldgefühle
     sich zur festen Überzeugung verdichteten. »Ich habe Athenaide
     zu Dr. Sanderson geführt. Und zu Maxine Tom.«
    Ben legte mir die Hände
     auf die Schultern und schüttelte mich sanft. »Hören Sie
     zu: Es spielt keine Rolle, wer hier wem folgt. Es ist nicht Ihre Schuld.«
    Ich klammerte mich an seine
     Worte, und die Schuldgefühle verwandelten sich in Wut. Ben hatte
     recht: Es spielte keine Rolle, ob ich die lägerin oder die Gejagte
     war. Meine Entscheidung stand fest. Ich musste das Ziel erreichen, bevor
     es der Mörder erreichte. »Westminster Abbey«, flüsterte
     ich heiser.
    »Eine Regel«,
     sagte Ben. »Sie bleiben immer in meiner Sichtweite. Immer. Selbst
     beim Beten und beim Pinkeln.«
    »In Ordnung.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen. Bringen
     Sie mich nach London.«
    Wieder griff er in seine
     Tasche. Er zog ein kleines dunkelblaues Heftchen mit einem goldenen Adler
     auf der Vorderseite hervor. Ein Pass. Ich öffnete ihn. Darin war mein
     Foto. Zumindest war es mein Gesicht. Aber mein Haar war kurz und dunkel,
     und in dem Pass stand ein Männername: Johnson, William, geboren: 23.
     April 1982.
    »Sie müssen sich
     die Haare färben, dann schneide ich sie Ihnen ab. Es sei denn, Sie möchten
     sie selbst schneiden.«   
    »Warum ein Mann?«
    »Hier geschehen scheußliche
     Morde, Kate. Genug, dass man von einem wahnsinnigen Serienmörder
     sprechen kann. Das Sicherheitsnetz am Flughafen wird eng sein, und es
     zieht sich weiter zu.« Dann grinste er aufmunternd. »Außerdem
     muss jede echte Shakespeare-Heldin sich wenigstens ein Mal als Mann
     verkleiden.«
    »Und Sie glauben, das
     funktioniert?«       
    »Haben Sie einen
     besseren Vorschlag?«
    »Geben Sie mir die
     Haarfarbe.«
    Er kramte in ein paar
     Einkaufstüten, die auf der Arbeitsplatte standen, dann reichte er mir
     eine Haartönung und zeigte mir, wo das Bad war. Im Spiegel
     betrachtete ich das vertraute Rot meines Haars. Die Packung versprach, die
     Tönung sei auswaschbar. In der Hoffnung, dass es stimmte, hielt ich
     den Kopf unter den Wasserhahn.
    Meine Haare waren nass und
     fast schwarz, als Ben zur Schere griff. Als er fertig war, blickte mir im
     Spiegel ein Gesicht entgegen, das männlich oder weiblich sein konnte.
     Schwer zu sagen. In den Kleidern, die ich trug - schwarzer Rock und Stöckelschuhe
     -, war die Wahl allerdings ziemlich eindeutig.
    Ben lachte. Im Flur standen
     zwei kleine Rollkoffer. Er übergab mir einen. »Ohne Gepäck
     nach Europa zu reisen wäre etwas verdächtig«, sagte er.
     »Außerdem brauchten Sie sowieso ein paar neue Sachen. Das Zeug
     hier muss eine Weile halten, also passen Sie gut darauf auf.« In dem
     Koffer fand ich eine weite Hose, ein langärmeliges Buttondown-Hemd,
     ein weites Sakko, Socken und Schuhe. Die Sachen saßen nicht so gut
     wie das, was Sir Henry für mich besorgt hatte, aber es reichte. Im
     letzten Moment fischte ich Matthews Visitenkarte aus meiner Bluse und
     steckte sie in die Sakkotasche.
    »In England wird jede
     Queen entzückt sein«, erklärte Ben grinsend, als ich aus
     dem Bad kam. Er reichte mir eine lange Kette. »Für die Brosche«,
     sagte er. Und so hängte ich mir die Brosche zum zweiten Mal um den
     Hals. Diesmal trug ich sie tief unter dem Hemd.
    Zehn Minuten später
     nahmen wir ein Taxi zum Flughafen Dulles.
    Wieder warteten am Schalter
     Tickets auf uns, und wieder stand ein falsches Reiseziel darauf. Nur dass
     wir das Flugzeug diesmal tatsächlich bestiegen.
    Um Mitternacht saßen
     wir an Bord der Maschine nach Frankfurt am Main.

 
    29
    Ausnahmsweise flogen wir
     Economy. Luxus, erklärte Ben, habe seine Nachteile, wenn man
     unbemerkt in der Menge untertauchen wolle. Als das Flugzeug abhob, sah ich
     nach, ob der Chambers noch vor mir in der

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