Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
Vom Netzwerk:
sprechen
     konnte. Außer uns dreien hatte niemand von der Suche nach ›Cardenio‹
     gewusst. Bis jetzt hatte ich nicht einmal Sir Henry eingeweiht. Ros wusste
     Bescheid, und sie war tot. Maxine wusste, dass die Spur zu Athenaide führte,
     und auch sie war tot.
    Athenaide hatte mir gesagt,
     dass Dr. Sanderson mich am Kapitol treffen wollte - vielleicht hatte sie
     die Verabredung inszeniert und ihm die gleiche Botschaft von mir
     ausgerichtet. Und als Sinclair kurz davor war, mich zu stoppen, hatte
     Athenaide mir zur Flucht verholfen.
    »Dr. Sanderson hatte
     recht mit seiner Warnung. Nicht nur weil sie an Oxford glaubt. Wer weiß,
     was sie sonst noch im Schilde führt, Kate. Niemand lässt sich
     nur eines historischen Hobbys wegen ein solches System von Geheimgängen
     einbauen. Vor allem nicht da draußen, eine Dreiviertelstunde von der
     mexikanischen Grenze entfernt. Die Frau schmuggelt Drogen oder Menschen,
     oder beides.«
    Ich setzte mich. Wie konnte
     ich nur so dumm gewesen sein. 
    Aber selbst wenn Athenaide
     der logische Schluss war, eines sprach dagegen: die Hand, die mir in den
     Schritt gefasst hatte. »Es war ein Mann, der mich angegriffen hat«,
     sagte ich schaudernd. »Hier und in Harvard.«
    »Ros hat mich
     angeheuert«, stellte Ben fest.
    In anderen Worten, Frauen
     heuerten Männer an. Plötzlich musste ich an Matthews Worte
     denken. Ihr Protégé ist nicht aufgetaucht. Wesley North.
     Athenaides Mann fürs Grobe.
    »Aber er hat den Brief
     zurückgelassen.« Immer noch suchte ich nach Einwänden
     gegen Bens Theorie. »Wenn er mich stoppen wollte - wenn er die Suche
     stoppen wollte -, warum hat er den Brief nicht mitgenommen?«
    »Vielleicht sind Sie
     ihm dazwischengekommen.«
    »Oder Sie.«
    Er zuckte die Achseln.
     »Oder aber er wollte, dass Sie ihn finden.«
    Ich schauderte. »Aber
     Sie haben gerade gesagt, er wollte mich aufhalten. Er hat versucht, mich
     umzubringen.«
    »Aber er hat es nicht
     getan.«
    »Sie meinen, er hat es
     absichtlich nicht getan?«
    »Wenn man jemanden
     ausschalten will, gibt es einfachere und sicherere Wege. Ein schallgedämpfter
     Kopfschuss oder Genickbruch mit einer kräftigen Handbewegung. Hätte
     er Sie töten wollen, wären Sie tot gewesen, bevor ich dazukam.
     Aber Sie leben. Und ich frage mich, warum? Warum inszeniert der Täter
     die Morde so theatralisch?
    Und warum hat er Sie
     entkommen lassen - nicht ein Mal, sondern inzwischen schon zwei Mal?«
     Er zuckte die Achseln. »Eine plausible Möglichkeit ist, dass
     die Morde deswegen so theatralisch sind, weil das Ganze ein Theater ist -
     mit dem Ziel, das Publikum zu beeinflussen. Ein ganz bestimmtes Publikum.«
    »Mich?«
    »Vielleicht will
     Athenaide, dass Sie genau das tun, was Sie tun: der Fährte folgen,
     angetrieben von Rachegefühlen. Möglich, dass sie Ihnen folgt,
     anstatt Ihnen voraus zu sein. Vielleicht macht sie den Weg für Sie
     frei, Kate, und drängt Sie weiter.«
    Ich runzelte die Stirn.
     »Warum? Sie haben selbst gesagt, Athenaide will nicht, dass
     Granvilles Entdeckung gefunden wird.«
    »Besser gesagt, sie
     will nicht, dass Granvilles Entdeckung an die Öffentlichkeit kommt.
     Nie. Doch die Garantie dafür hat sie nur, wenn sie sie zerstört.
     Deswegen sollen Sie den Schatz für sie finden. Vielleicht sind Sie am
     Leben, weil Athenaide Sie noch braucht.«
    »Um ›Cardenio‹
     zu finden. Und dann?«
    »Dann lässt sie
     Sie und das Stück verschwinden. Und alles, was Granville sonst noch
     gefunden hat.«
    Ich ging wieder in der Küche
     auf und ab. »Das kann ich nicht glauben. Ich kann einfach nicht.«
    Ben griff in seine
     Jackentasche und stellte einen Gegenstand auf den Tisch. Es war ein
     kleiner Silberrahmen. Ich kam zögernd näher, als hätte ich
     Angst, dass er beißen könnte.
    In dem Rahmen steckte ein
     Schwarzweißfoto, dessen starke Kontraste und elegante Linien mich an
     eine alte Modefotografie erinnerten. Eine Frau mit Wespentaille in der
     merkwürdig konkaven Haltung der Models aus den Fünfzigerjahren -
     der Zeit von ›Ein Herz und eine Krone‹ und ›Das
     Fenster zum Hof‹. Es war Athenaide. Jünger, schöner,
     bezaubernd. Neben ihr stand ein kleines Mädchen, das bewundernd zu
     ihr aufsah. Sein Gesicht hatte noch die weichen Züge eines Kindes,
     doch es war unverkennbar Rosalind Howard.
    Am meisten überraschte
     mich Athenaides Hut. Ein breitkrempiger weißer Damenhut mit
     Pfingstrosen, die so tiefschwarz waren, wie auf einem

Weitere Kostenlose Bücher