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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Identität machen? Möglicherweise
     ein Adliger - das Theater wäre ein Fleck auf der Familienweste. Oder
     natürlich eine Frau, egal welchen Ranges. Dann gibt es angeblich noch
     die geheimen Botschaften in den Stücken - meistens ist von
     Freimaurern, Rosenkreuzern oder Jesuiten die Rede. Und die Behauptung, der
     Autor der Stücke - für gewöhnlich Francis Bacon - sei der
     Sohn der Königin. Wer an so was glaubt, hält die Maskerade für
     eine nötige Sicherheitsvorkehrung. 
    Nur, wie in Gottes Namen hätte
     man ein solches Geheimnis wahren können? Angenommen, die Stücke
     stammten wirklich von einem anderen. Selbst wenn Ben Jonson die Identität
     des wahren Autors nicht kannte, hätte er gewusst, dass der
     Schauspieler Shakespeare es nicht war. Was natürlich auch die anderen
     Schauspieler der Truppe wussten. Eine Menge Leute, die den Mund hätten
     halten müssen - in einer Epoche, in der sich ganz England über
     alles und jeden das Maul zerriss.«
    »Es würde Jonsons
     doppeldeutige Bemerkungen über Shakespeare erklären«,
     sagte Ben.
    »Aber nicht die
     Tatsache, dass Shakespeares Autorschaft nie angefochten wurde, weder zu
     seinen Lebzeiten noch in den zweihundert Jahren danach. Aber viel
     wichtiger: Auch von den anderen Kandidaten passt keiner wirklich. Die
     Anti-Stratfordianer haben ein paar ziemlich gute Argumente, die gegen
     Shakespeare aus Stratford sprechen - Argumente, die selbst von den
     Universitäten ernst genommen werden. Aber keiner hat es je geschafft,
     einen Kandidaten aufzutreiben, dessen Motive, Mittel und Möglichkeiten
     überzeugender sind.«
    Ich fuhr mir durchs Haar.
     Mein frisch geschorener Kopf fühlte sich immer noch seltsam nackt an.
    »Delia hat auf Bacon
     gesetzt.«
    »Eine Bacon für
     Bacon«, sagte Ben nachdenklich. »Ist das nicht
     Vetternwirtschaft?«
    Ich grinste. »Die
     beiden sind nicht verwandt. Delia wurde verrückt darüber, Sir
     Francis Bacons Autorschaft beweisen zu wollen, doch ich würde meine
     Seele an den Teufel verwetten, dass Bacon Shakespeares Stücke nicht
     geschrieben hat. Sir Francis Bacon war ein brillanter Mann, Generalfiskal
     der Krone unter Jakob I. Die passende Ausbildung und Schreibgewandtheit
     hatte er. Außerdem war Bacon einer der größten englischen
     Essayisten. Aber sein Stil klingt nicht im Entferntesten nach Shakespeare.
     Genauso gut könnte man behaupten, die Werke von Noam Chomsky und
     Steven Spielberg wären dem gleichen Kopf entsprungen. Der eine ein
     Universalgelehrter mit enzyklopädischem Wissen, der andere ein
     fabulierender Abenteurer, der jedes Genre des Erzähltheaters
     durchschreitet.«
    Die Flugbegleiterin räumte
     unsere Tabletts ab, und ich streckte die Beine aus und nahm eine bequemere
     Haltung ein.
    »Immerhin schaffte es
     Delia, Mark Twain zu überzeugen.«
    »Den Mark Twain von
     Huck Finn und Tom Sawyer?«, fragte Ben.
    Die Unterhaltung begann mir
     Spaß zu machen. »Er las Delias Buch, als er als Steuermann auf
     einem Raddampfer auf dem Mississippi arbeitete. Später, im Alter,
     schrieb er eine urkomische Antibiografie des Mannes aus Stratford mit dem
     Titel ›Ist Shakespeare tot?‹. Die sollten Sie sich mal im
     Internet ansehen.«
    »Was ist mit Oxford?
     Athenaides Mann?«
    »Edward de Vere, der
     17. Graf von Oxford. Zurzeit ist er der populärste Gegenkandidat. Zu
     seinem Pech war sein erster großer Fürsprecher ein Mann namens
     ›Looney‹ - ›durchgeknallt‹.«
    Ben lachte schnaubend. 
    »Auch wenn man ihn
     eigentlich ›Loney‹ ausspricht, hat er den Oxfordianern mit
     seinem Namen keinen Gefallen getan. Doch sein Buch hat neben anderen
     immerhin Sigmund Freud überzeugt. Oxford hat tatsächlich ein
     paar Eigenschaften, die für ihn sprechen. Wie Athenaide schon gesagt
     hat, im ›Hamlet‹ gibt es merkwürdige Parallelen zu
     seinem Leben.«
    »Athenaide hat gesagt,
     Sie hätten das gesagt. Wir wollen den Schwarzen Peter nicht
     weiterschieben«, bemerkte Ben mit einem spöttischen Lächeln.       
    »Ich habe aber auch
     gesagt, dass ein paar Parallelen aus einem Stück noch lange keine
     Autobiografie machen. Edward de Vere hatte die richtige Ausbildung und
     Erfahrung. Man weiß, dass er nebenbei Stücke geschrieben hat,
     die jedoch alle verschollen sind. Ein paar seiner Gedichte haben überlebt
     - sie sind nicht schlecht und manche von ihnen sogar in Shakespeares ungewöhnlichem
     Reimschema verfasst. Am interessantesten sind die Wortspiele auf

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