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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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machte ich kehrt und rannte stattdessen hinauf.
    Oben versteckte ich mich
     wieder zwischen den Regalen. Schritte näherten sich der Treppe unter
     mir, dann fiel die Tür zu. Einen kurzen Moment war es still, dann
     wurde die Tür kreischend aufgerissen. Leise verschwanden die Schritte
     nach unten.
    Ich wartete. Vielleicht
     durchschaute er meinen Trick, schlich sich wieder herauf und wartete nur
     darauf, dass ich mich zeigte. Oder er legte sich am Haupteingang auf die
     Lauer. Nein. Ich hörte etwas: das leise Quietschen von Gummisohlen
     auf der Treppe. Mein Körper spannte sich, bereit, jederzeit
     loszulaufen, doch mehr hörte ich nicht. Selbst die Regale schienen
     den Atem anzuhalten.
    Nach einer langen Zeit kam
     ich vorsichtig heraus. Die hohen Fenster an der Innenseite des Westflügels
     blickten auf denselben Lesesaal wie Ros’ Büro. Schräg
     gegenüber konnte ich die langen Reihen mit den Fenstern der
     Arbeitszimmer sehen. Als ich mich gerade abwenden und gehen wollte,
     entdeckte ich einen roten Lichtstrahl, der in einem der Fenster
     aufflackerte. Ich sah näher hin. Ein Stockwerk nach unten, drei
     Fenster nach rechts. Ros’ Arbeitszimmer.
    Er war zurückgekehrt.
    Auf Zehenspitzen ging ich die
     Treppe hinunter, durchquerte den inneren Korridor und schlüpfte
     zwischen die Regale. Vielleicht konnte ich ihn nicht davon abhalten, Ros’
     Sachen durchzugehen - nicht hier und jetzt, allein im Dunkeln.
     Aber ich könnte versuchen herauszufinden, wer er war.
    Von der anderen Seite
     erreichte ich den Gang, der zu Ros’ Büro führte. Als ich
     durch die Regale spähte, sah ich den schwachen roten Lichtschein
     hinter Ros’ Tür. Er war noch dort.
    Ich nahm den Zettel aus dem
     Chambers-Band und steckte ihn in die Hosentasche. Einen Gang weiter
     stellte ich das Buch in eine Lücke im unteren Fach und merkte mir die
     Stelle - sechs Bücher vom Rand. Im Notfall könnte ich morgen früh
     wiederkommen. Die Chance, dass jemand den Chambers hier fand, unter
     Millionen von Büchern, war gering, und in der Zwischenzeit war er
     hier am sichersten.
    Dann glitt ich um die Ecke
     und ging auf Zehenspitzen den Gang hinunter. Als Ros’ Tür ins
     Blickfeld kam, blieb ich stehen. Nichts. Ich ging einen Schritt weiter,
     und plötzlich wurde die Stille von einer schrillenden Sirene
     zerrissen. Bevor ich weglaufen konnte, sprang eine dunkle Gestalt aus der
     Tür, stürzte sich auf mich und drehte mir den Arm auf den Rücken.
     Kaum hörbar über das Heulen der Sirene drang ein raues Flüstern
     an mein Ohr: »Schlichte Kate, die lust’ge Kate, oder auch die
     böse Kate.«
    Mein Name! Er wusste, wie ich
     hieß! Ich wand mich unter seinem Griff, versuchte, sein Gesicht zu
     erkennen, doch er riss so fest an meinem Arm, dass ich vor Schmerz nach
     Luft schnappte.
    Dann lachte er kalt. »Aber
     wie eine andere Shakespeare-Bewohnerin fragte: ›Was ist schon ein
     Name?‹ Ros hat ihren geändert. In Hamlet den Alten.«
    Ein eiskalter Schauer lief
     mir über den Rücken. Ich hatte recht gehabt. Mit neuer Kraft
     versuchte ich mich zu befreien. Etwas Metallisches blitzte auf, und dann
     spürte ich die schmale kalte Klinge eines Messers an meiner Kehle.
     »Vielleicht sollten wir auch deinen Namen ändern.« Ich fühlte
     seinen feuchten Atem im Nacken. »Lauf, Kate«, sagte er spöttisch.
     Und plötzlich, als hätte er sich im Schrillen der Dunkelheit in
     Luft aufgelöst, war er verschwunden.
    Entsetzt rannte ich in den
     äußeren Korridor mit den Lesekabinen. Ich sah mich um, doch es
     gab keinen Fluchtweg und nur einen Ort, an dem ich mich verstecken konnte.
     Ich duckte mich unter einen der Tische. Wo war er? Was war passiert?
     Anscheinend hatte er sich mit einer Art Bewegungsmelder
     abgesichert. Was bedeutete, dass er mich erwartet hatte.
    Der Alarm verstummte. Wenn er
     ihn abgestellt hatte, konnte er nicht weit sein.
    Ich hörte leise Schritte
     durchs Magazin. Er war auf dem Weg hierher. Geh weg, betete ich inbrünstig.
     Bitte geh weg.
    Doch er kam mit langsamen,
     zielstrebigen Schritten in meine Richtung. An den Lesekabinen hielt er
     inne. Wahrscheinlich sah er unter jedem einzelnen Tisch nach. Er wusste,
     dass ich hier war.
    Als er an dem Tisch vor
     meinem stehen blieb, machte ich mich bereit loszusprinten. Er hatte ein
     Messer, und ich konnte höchstens den Tisch gegen ihn stoßen.
     Vielleicht konnte ich ihn damit aus dem Gleichgewicht bringen und einen
     Vorsprung herausholen.

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