Die Shakespeare-Morde
geschickt. Ich schrieb an einem Artikel über die heimtückischen
Intrigen der Howards, einer der skrupellosesten Familien im England der
Renaissance, die, wie man seit einiger Zeit wusste, im Sold des Königs
von Spanien stand. »Die heimtückischen Intrigen meiner
Vorfahren, meinst du«, hatte Ros gesagt und mir damit den Hinweis
gegeben, der mich hier herunter brachte. Allerdings ohne Erfolg; ich hatte
keine Spur gefunden, die zu den Howards führte. Stattdessen entdeckte
ich hinter einem Regal mit spanischem Hoftratsch - alten Tagebüchern,
Berichten und Briefen, die vor langer Zeit von Koryphäen der
Kulturgeschichte sorgfältig zusammengetragen worden waren und seitdem
in der hintersten Ecke vermoderten -den Übergang zum Ostteil der
Ebene C.
Ich richtete die Lampe in den
nächsten Gang: nichts. Dann in den nächsten. Ich lief weiter,
dann kehrte ich zurück. Dieser Gang kam mir bekannt vor. Ich ging ein
paar Meter hinein und wurde schneller, je mehr ich von ihm wiedererkannte.
Ja, der war es.
Irgendwo quietschte eine Tür.
Ben war direkt hinter mir. Ich knipste das Licht aus und tastete mich
durch die Dunkelheit, bis ich direkt vor meiner Nase auf Bücher stieß.
Ich streckte die rechte Hand aus, bis ich merkte, dass das Regal in einer
geschlossenen Ecke stand. Verdammt. Ich nahm den Chambers in die andere
Hand und tastete mich nach links.
Ein paar Gänge weiter hörte
ich ein leises Geräusch, und dann sah ich einen schwachen roten
Schein an der Decke. Ich erstarrte. Der Mörder hatte eine rote
Taschenlampe. Ben tippte mir auf die Schulter, und ich wusste, was er
meinte. Weiter. Meine Finger glitten über die rauen Rücken
unsichtbarer Bücher, bis ich plötzlich auf eine Lücke stieß.
Neben dem Regal öffnete sich ein Spalt. Vorsichtig quetschte ich mich
hinein und kroch hinter das Bücherregal. Zwischen dem Regal und der
Wand war eine Lücke von etwa einem halben Meter. Auf der Suche nach
dem Durchgang tastete ich die Wand ab. Ich konnte nur beten, dass die
Öffnung noch existierte.
Ich fand sie so schnell, dass
ich stolperte und beinahe stürzte. Das Buch rutschte mir aus der
Hand. Blind sprang ich hinterher und konnte es gerade noch auffangen,
bevor es polternd auf dem Boden landete, doch ich zuckte vor Schmerz
zusammen, als sich die Scherbe, die immer noch im Einband des Buches
steckte, tief in meine Hand bohrte. Ben war hinter mir und half mir auf
die Füße. »Hut ab«, flüsterte er beeindruckt.
Plötzlich hörten
wir im Gang hinter uns Schritte, die auf halbem Weg innehielten. Rotes
Licht sickerte zwischen den Büchern durch das Regal, in dessen
Deckung wir standen. Es reichte gerade, um zu sehen, dass die Passage, in
der wir standen, auf einen Flur führte, der direkt nach Osten ging.
Dann erlosch das Licht, und die Schritte kehrten in die Richtung zurück,
aus der sie gekommen waren. Ich atmete auf. So schnell wir konnten,
tasteten wir uns durch die Finsternis nach Osten vor, bis ich den Luftzug
einer Kreuzung spürte.
Ich wandte mich nach rechts
und folgte dem Gang, bis wir eine freie Wand erreichten. In einer kleinen
Nische in der Ecke, die von ein paar ausrangierten Lesetischen verstellt
war, war eine Metalltür. Entsetzt stellte ich fest, dass sie mit
einem elektronischen Schloss gesichert war. Dann bewegte sich die Tür
in der Zugluft. Anscheinend war durch den Stromausfall das Schloss
aufgesprungen.
Ben riss die Tür auf.
Ein Schwall feuchter, heißer Dunkelheit schlug uns entgegen, geschwängert
von leichtem Verwesungsgeruch. Ich leuchtete mit der Taschenlampe hinein.
Nach wenigen Metern wurde der Lichtstrahl von der Finsternis verschluckt.
Ich wich einen Schritt zurück.
Was ist schon ein Name?, hatte der Mörder gesagt. Vielleicht sollten
wir auch deinen ändern. Im ›Titus‹ wurden Lavinia und
ihr Geliebter in eine dunkle Grube gelockt, bevor Lavinia vergewaltigt
wurde. Ihr Geliebter starb; sie bettelte um den Tod. Ich starrte in den
Tunnel.
Plötzlich hörten
wir Schritte im Stockwerk über uns. Am anderen Ende des Flurs ging
eine Tür auf. Ich hörte eine Stimme aus der Vergangenheit: Du
musst dem Weg folgen. Also drückte ich das Buch fester an mich und
betrat den Tunnel. Ben nahm mir die Taschenlampe aus der Hand, knipste sie
aus, dann schloss er die Tür hinter uns, und die Dunkelheit
verschlang uns.
12
Ben schob sich an
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