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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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geschickt. Ich schrieb an einem Artikel über die heimtückischen
     Intrigen der Howards, einer der skrupellosesten Familien im England der
     Renaissance, die, wie man seit einiger Zeit wusste, im Sold des Königs
     von Spanien stand. »Die heimtückischen Intrigen meiner
     Vorfahren, meinst du«, hatte Ros gesagt und mir damit den Hinweis
     gegeben, der mich hier herunter brachte. Allerdings ohne Erfolg; ich hatte
     keine Spur gefunden, die zu den Howards führte. Stattdessen entdeckte
     ich hinter einem Regal mit spanischem Hoftratsch - alten Tagebüchern,
     Berichten und Briefen, die vor langer Zeit von Koryphäen der
     Kulturgeschichte sorgfältig zusammengetragen worden waren und seitdem
     in der hintersten Ecke vermoderten -den Übergang zum Ostteil der
     Ebene C.          
    Ich richtete die Lampe in den
     nächsten Gang: nichts. Dann in den nächsten. Ich lief weiter,
     dann kehrte ich zurück. Dieser Gang kam mir bekannt vor. Ich ging ein
     paar Meter hinein und wurde schneller, je mehr ich von ihm wiedererkannte.
     Ja, der war es.
    Irgendwo quietschte eine Tür.
     Ben war direkt hinter mir. Ich knipste das Licht aus und tastete mich
     durch die Dunkelheit, bis ich direkt vor meiner Nase auf Bücher stieß.
     Ich streckte die rechte Hand aus, bis ich merkte, dass das Regal in einer
     geschlossenen Ecke stand. Verdammt. Ich nahm den Chambers in die andere
     Hand und tastete mich nach links.
    Ein paar Gänge weiter hörte
     ich ein leises Geräusch, und dann sah ich einen schwachen roten
     Schein an der Decke. Ich erstarrte. Der Mörder hatte eine rote
     Taschenlampe. Ben tippte mir auf die Schulter, und ich wusste, was er
     meinte. Weiter. Meine Finger glitten über die rauen Rücken
     unsichtbarer Bücher, bis ich plötzlich auf eine Lücke stieß.
     Neben dem Regal öffnete sich ein Spalt. Vorsichtig quetschte ich mich
     hinein und kroch hinter das Bücherregal. Zwischen dem Regal und der
     Wand war eine Lücke von etwa einem halben Meter. Auf der Suche nach
     dem Durchgang tastete ich die Wand ab. Ich konnte nur beten, dass die
     Öffnung noch existierte.
    Ich fand sie so schnell, dass
     ich stolperte und beinahe stürzte. Das Buch rutschte mir aus der
     Hand. Blind sprang ich hinterher und konnte es gerade noch auffangen,
     bevor es polternd auf dem Boden landete, doch ich zuckte vor Schmerz
     zusammen, als sich die Scherbe, die immer noch im Einband des Buches
     steckte, tief in meine Hand bohrte. Ben war hinter mir und half mir auf
     die Füße. »Hut ab«, flüsterte er beeindruckt.
    Plötzlich hörten
     wir im Gang hinter uns Schritte, die auf halbem Weg innehielten. Rotes
     Licht sickerte zwischen den Büchern durch das Regal, in dessen
     Deckung wir standen. Es reichte gerade, um zu sehen, dass die Passage, in
     der wir standen, auf einen Flur führte, der direkt nach Osten ging.
     Dann erlosch das Licht, und die Schritte kehrten in die Richtung zurück,
     aus der sie gekommen waren. Ich atmete auf. So schnell wir konnten,
     tasteten wir uns durch die Finsternis nach Osten vor, bis ich den Luftzug
     einer Kreuzung spürte.
    Ich wandte mich nach rechts
     und folgte dem Gang, bis wir eine freie Wand erreichten. In einer kleinen
     Nische in der Ecke, die von ein paar ausrangierten Lesetischen verstellt
     war, war eine Metalltür. Entsetzt stellte ich fest, dass sie mit
     einem elektronischen Schloss gesichert war. Dann bewegte sich die Tür
     in der Zugluft. Anscheinend war durch den Stromausfall das Schloss
     aufgesprungen.
    Ben riss die Tür auf.
     Ein Schwall feuchter, heißer Dunkelheit schlug uns entgegen, geschwängert
     von leichtem Verwesungsgeruch. Ich leuchtete mit der Taschenlampe hinein.
     Nach wenigen Metern wurde der Lichtstrahl von der Finsternis verschluckt.
    Ich wich einen Schritt zurück.
     Was ist schon ein Name?, hatte der Mörder gesagt. Vielleicht sollten
     wir auch deinen ändern. Im ›Titus‹ wurden Lavinia und
     ihr Geliebter in eine dunkle Grube gelockt, bevor Lavinia vergewaltigt
     wurde. Ihr Geliebter starb; sie bettelte um den Tod. Ich starrte in den
     Tunnel.
    Plötzlich hörten
     wir Schritte im Stockwerk über uns. Am anderen Ende des Flurs ging
     eine Tür auf. Ich hörte eine Stimme aus der Vergangenheit: Du
     musst dem Weg folgen. Also drückte ich das Buch fester an mich und
     betrat den Tunnel. Ben nahm mir die Taschenlampe aus der Hand, knipste sie
     aus, dann schloss er die Tür hinter uns, und die Dunkelheit
     verschlang uns.

 
    12
    Ben schob sich an

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