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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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meine Handfläche, und er blutete noch immer. Mir wurde schwindelig,
     und ich sank in einen Stuhl.
    »Danke«, sagte
     Ben, dann hob er das Buch vom Boden auf und folgte mir an den Tisch. Er
     legte das Buch ab und stellte ein rotes Täschchen daneben, das er aus
     dem Koffer geholt hatte. Seine Reiseapotheke. Er nahm ein paar
     antiseptische Tücher heraus und begann die Wunde zu reinigen. Seine Hände
     waren sanft, doch das Desinfektionsmittel brannte.
    »Haben Sie irgendeine
     Ahnung, wer Ihr Verfolger war?«
    Ich schüttelte den Kopf.
     »Nein. Außer dass er Ros getötet hat. Er hat sie zum
     Geist von Hamlets Vater gemacht.«
    Ben blickte auf, und ich erzählte
     ihm von dem Einstichloch.
    Zuerst schwieg er und
     konzentrierte sich auf meine Verletzung. Er schien weder überrascht
     noch schockiert zu sein. Er zeigte überhaupt keine Reaktion. »So«,
     sagte er schließlich und gab mir meine Hand zurück. »Fertig.
     Wenn Sie möchten, lege ich Ihnen einen Verband an, aber die Wunde
     heilt schneller, wenn die Haut atmen kann … Woher wollen Sie
     wissen, dass Ihr Verfolger der Mörder ist?«
    »Er hat es mir gesagt,
     gleich nachdem er mich mit dem Messer bedroht hat. ›Was ist schon
     ein Name?‹« Aus meinem Mund klang die Drohung seltsam. »›Ros
     hat ihren geändert. In Hamlet den Alten. Vielleicht sollten wir auch
     deinen ändern.‹«
    Wieder zuckten die Muskeln um
     Bens Kiefer.
    »Und er hat mir das
     hier hinterlassen.« Mit meiner unverletzten Hand zog ich die
     ausgerissene Seite der Folio aus der Tasche. »Kennen Sie ›Titus‹?«
    »Ich habe den Film
     gesehen.«
    Ich legte das Blatt vor Ben
     auf den Tisch und beobachtete die Veränderung seines
     Gesichtsausdrucks, während er las. »Du lieber Himmel«,
     sagte er angewidert, als er fertig war.
    »Wenn Sie mich beschützen
     wollen«, sagte ich leise, »dann halten Sie mir den Absender
     vom Hals.«
    Ben stand auf, ging zum
     Fenster und blickte hinaus. »Das kann ich nur, wenn wir
     Zusammenarbeiten, Kate. Und das bedeutet, ich brauche Informationen. Ich
     muss wissen, was Sie tun, wonach Sie suchen.«
    »Hat Ros Ihnen nichts
     erzählt?«
    »Nur dass Sie auf der
     Jagd nach Wissen sind. Zuerst habe ich dankend abgelehnt, denn das ist
     genau die Zutat, die man für Atombomben und Bioterror braucht. Aber
     Ros hat abgewinkt. Sie sagte, sie sei auf der Suche nach der Wahrheit: Schönheit
     ist Wahrheit, Wahrheit Schönheit. Soviel wisst ihr auf Erden, und
     dies Wissen reicht …« Er grinste mich an. »Schauen Sie
     nicht so entsetzt. Ich kann lesen. Manchmal lese ich sogar Keats. Dass ich
     mit Waffen umgehen kann, ist kein zwangsläufiger Widerspruch. Außerdem
     zitiere ich nur, was Ros mir erzählt hat.«
    »Was mehr ist, als sie
     mir erzählt hat. Mir hat sie nur eine kleine in Goldpapier gewickelte
     Schachtel gegeben. Ein Abenteuer und ein Geheimnis, hat sie es genannt.
     Und hierher hat es mich geführt.« Ich schlug den Chambers-Band
     auf und schob ihn ihm hin. Darin lag die Nachricht, die ich in Ros’
     Büro gefunden hatte. Der Zettel war kleiner, als ich ihn in
     Erinnerung hatte. Ich hatte ihn noch nicht gelesen. Der Brief würde
     alles aufklären: welches von Shakespeares jakobäischen
     Meisterwerken Ros meinte, wo ich in der First Folio Edition zu suchen
     hatte - und wonach. Und vielleicht enthielt der Brief sogar noch etwas
     Wichtigeres: eine Erklärung. Eine Entschuldigung.
    Ben beugte sich über den
     Zettel. »Für Kate«, las er laut, dann gab er ihn mir zurück.
     Das Papier knisterte, als ich es auseinanderfaltete. In Blockbuchstaben,
     mit blassem Bleistift geschrieben, standen dort zwei Wörter: CHILD.
     KORR.
    »Etwas kryptisch«,
     stellte Ben fest. »Irgendeine Ahnung, was das heißen könnte?«
    »›Korr.‹
     ist die Abkürzung für ›Korrespondenz‹«,
     murmelte ich stirnrunzelnd.
    »Briefe also. Aber wofür
     steht ›Child‹? Geht es um Kinder? Briefe aus der Kindheit?
     Von wem? Von Ros?« Bens Fragen prasselten auf mich ein wie Hagelkörner.
    »Das würde
     voraussetzen, dass sie eine hatte - eine Kindheit, meine ich. Aber darauf
     würde ich nicht wetten. Das soll keine Kritik an Ihren Großeltern
     sein«, schob ich verlegen nach.
    »Schon gut.«
    »Ich bezweifle, dass
     Ros Kinderbriefe als ›Korrespondenz‹ bezeichnen würde.«
     Ich schüttelte den Kopf. »Mit ›Child‹ ist ein Ort
     gemeint. Die Privatbibliothek des English Department.«
    Child. Das kleine Wörtchen
     bedeutete

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