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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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ein bisschen Schmalzfleisch noch keinem geschadet.«
    »Sie waren in der
     Armee?«
    »Nicht direkt.«
    Ich wartete auf eine Erklärung,
     doch er schwieg. »Dann bin ich dafür, dass wir uns die Eier und
     die Pfannkuchen teilen.«
    »Bewundernswert
     diplomatisch.« Er schob mir eins der Eier auf den Teller. »Ihr
     Gepäck ist auch schon da.«
    Tatsächlich, an der Tür
     stand der kleine schwarze Rollkoffer, den Sir Henry mir von Mrs Barnes
     hatte packen lassen. »Sie sagten doch, wir könnten nicht ins
     Inn zurück.«
    »Sie nicht. Es war
     keine Rede davon, dass nicht jemand anderes unbehelligt rein- und wieder
     rauskäme.«
    »Sie haben mein Gepäck
     gestohlen?«, fragte ich mit der Gabel voll Ei auf halbem Weg zum
     Mund.
    »Sagen wir, ich habe
     einen Gefallen eingefordert. Wenn Sie etwas dagegen haben, können wir
     Ihren Koffer jederzeit zurückschicken.«
    »Nein«,
     antwortete ich schnell mit vollem Mund. »Wenn es um saubere
     Klamotten geht, heiligt der Zweck die Mittel.«
    »Wo wir gerade von
     kriminellen Handlungen sprechen, wir haben es in die Morgennachrichten
     geschafft. Nicht nur Lokalfernsehen. Sogar die großen Jungs
     berichteten: CNN, die Today-Show, Good Morning America.«
    »Gibt es was Neues?«
    »Die wissen weniger als
     wir - nur das, was jeder Blinde im Großraum Boston mitbekommt.«
     Er sah mich forschend an. »Sind Sie sicher, dass Sie weitermachen
     wollen? Die Sache ist heiß, und es wird immer heißer.«
    »Gefährlich,
     meinen Sie.«
    »›Heiß‹
     klingt cooler.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
     »Aber Sie wissen, was ich meine.« Er schob seinen Teller zur
     Seite. »Kate, es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand den Brand
     in Harvard mit dem Brand im Globe in Verbindung bringt. Und wenn es so
     weit ist, dann ist Ihnen jeder Sender auf den Fersen, von der Polizei
     zweier Kontinente ganz zu schweigen.«          
    Ich nahm meine Kaffeetasse
     und ging ans Fenster. Ich wusste, was ich wollte, ob man mir auf den
     Fersen war oder nicht. Die interessantere Frage, auf die ich nur vage
     Antworten hatte, war: Warum? 
    Rache, hatte der alte König
     in meinem Traum gesagt. Aber Rache für wen?
    Für Ros, natürlich.
     Ros war der König; das wusste ich, so wie man in Träumen Dinge
     weiß - dass ein vollkommen Fremder die eigene Mutter ist oder der
     Geliebte oder das Haustier aus der Kindheit, mit der unerschütterlichen
     Gewissheit eines Heiligen oder Fanatikers. Aber im Traum war es meine
     Kehle, die aufgeschlitzt worden war. Und in der Bibliothek hatte mir der Mörder
     eine überaus echte Klinge an den Hals gehalten.
    Ich machte mir keine
     Illusionen, den Mörder aufzuspüren und ihm persönlich
     Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Oder ihn auch nur der Polizei zu
     übergeben. Trotzdem würde ich mich an ihm rächen.
    Er mordete und legte Brände,
     um zu verhindern, dass Ros’ Entdeckung ans Tageslicht käme. Ich
     musste einfach für das Gegenteil sorgen.
    Aber Rache war nicht mein
     einziger Antrieb. Ich trank einen Schluck Kaffee und sah einer Möwe
     nach, die über dem Fluss ihre Kreise zog. Die goldene Schachtel, die
     Ros mir gegeben hatte, war so etwas wie eine Pandora-Büchse. Ich
     wollte Ros rächen, so viel war klar. Doch was mich selbst anging, so
     wollte ich etwas Simpleres, Egoistischeres. Ich wollte das Geheimnis lüften.
     Ich wollte wissen, was Ros entdeckt hatte.
    Ben hatte sie etwas von
     Wahrheit und Schönheit erzählt. Mir hatte sie gesagt: Wenn du
     die Schachtel öffnest, musst du dem Weg folgen, den sie dir weist.
     Ich trank meinen Kaffee aus, dann drehte ich mich um. »Ich habe ein
     Versprechen gegeben. Sie müssen nicht mitkommen.«
    »Doch, das muss ich.«
     Er lächelte. »Ich habe auch ein Versprechen gegeben.«
    Wir wechselten uns mit dem
     Duschen ab. Ich musste zugeben, es tat gut, Mrs Barnes’ saubere
     Kleider anzuziehen. Auch wenn sie - zweifellos auf Sir Henrys Anweisung -
     den Koffer mit lauter Dingen gefüllt hatte, die ich mir selbst nie
     gekauft hätte. Ich entschied mich für eine beige Caprihose und
     eine tief ausgeschnittene ärmellose Bluse mit Leopardenmuster. Während
     ich auf Ben wartete, steckte ich die Brosche am Revers meines neuen
     leichten Blazers fest.
    In einem olivgrünen
     T-Shirt und Khakihosen kam Ben aus dem Schlafzimmer.
    »Fertig?«, fragte
     ich und verstaute das Buch und einige Papiere in meiner Tasche.
    Er legte sich ein
     Schulterhalfter an, schob die Pistole

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