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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Helfern, die ihn im Rahmen seiner
     unermüdlichen Arbeit als Sammler von Volksgut angeschrieben hatten:
     die Dichter Longfellow und Lowell, einer der Gebrüder Grimm, der
     Philosoph William James. Dazwischen gab es einen nicht versiegenden Strom
     heiterer Briefe von seiner Frau Elisabeth. Nichts davon bot sich als Stoff
     für Ros’ Erleuchtung an.
    Der Mann mit dem Hundeblick
     streckte sich und ließ die Fingerknöchel knacken. Die Wanduhr
     hinter ihm war bereits zwei Stunden vorgerückt. Ich beugte mich
     wieder über meine Arbeit.
    Tief unten in der dritten
     Kiste überflog ich gerade den nächsten kernig-fröhlichen
     Bericht von Elisabeths Sommerfrische mit den Kindern in Maine, als ich
     über eine Seite stolperte, die nicht zur vorherigen zu passen schien.
    »Die Kleinen spielten
     draußen, pflückten Brom-«, endete die eine Seite. Doch
     als ich umblätterte, begann die nächste Seite mit den Worten:
     »Ich habe etwas entdeckt.« Die Worte, die Ros benutzt hatte.
    Ich suchte Bens Blick, doch
     er war tief versunken in ein Büchlein, das wie ein wettergegerbtes
     Tagebuch aussah.
    Ich legte die beiden Seiten
     nebeneinander. Die zweite Seite stammte nicht von Elisabeth Child, auch
     wenn die krakelige Handschrift Elisabeths Schrift seltsam ähnlich
     sah, genau wie das Papier und die verblasste blaue Tinte. So ähnlich,
     dass sie bei flüchtigem Hinsehen als Seiten desselben Schreibens
     durchgehen konnten. Doch nicht bei näherer Betrachtung.
     
    Ich habe etwas entdeckt,
     das, wie ich glaube, für einen Connaisseur wie Sie von Interesse sein
     könnte, und im Vertrauen darauf, daß nicht alles gleißt,
     was Gold ist, sogar möglicherweise von großem Werth.  
    Ich fuhr mir mit der Zunge
     über die Lippen und hatte wieder Ros’ Stimme im Ohr: Ich habe
     etwas entdeckt. Ich brauche deine Hilfe, Kate. Ich las weiter.
     
    Es handelt sich um ein
     Manuscript. Ich glaube, es wurde in englischer Sprache verfaßt -
     zumindest habe ich einzelne englische Worte wiedererkannt-, und die antike
     Ausgabe des Don Quixote, in der ich es fand, ist eine englische Übersetzung.
     Leider ist die Handschrift zum großen Theil unleserlich, selbst die
     Stellen, die nicht von der Zeit so fleckig oder verblaßt sind, daß
     man sie nicht mehr entziffern kann. Es war mir immerhin möglich, mit
     einigermaßen vernünftiger Eindeutigkeit den Titel zu
     reconstruiren - bis auf den ersten Buchstaben, den ich, wie ich
     eingestehen muß, noch nie gesehen habe. Es ist eine Art
     durchgestrichene Spirale. Ich hatte es für Griechisch gehalten, doch
     die folgenden Buchstaben stammen aus dem lateinischen Alphabet, -ardeno,
     glaube ich. Oder womöglich -ardonia?
     
    Ich runzelte die Stirn. Der
     seltsame Buchstabe war nicht griechisch. Er stammte aus einer alten
     elisabethanischen Kursivschrift: das große C der sogenannten
     Secretary Hand. Was aus dem Titel ›Cardeno‹ oder ›Cardonia‹
     machte.
    Der Ausdruck kam mir bekannt
     vor. Ich hatte ihn irgendwo gelesen … Ein Name. Aber wovon? Einer
     Person oder einem Ort? Je mehr ich meine Erinnerung durchforstete, desto
     verschwommener wurde der Begriff, bis er sich schließlich im weichen
     grauen Nebel des Vergessens auflöste. Vielleicht konnte der Brief
     Aufschluss geben. Hastig las ich die Seite zu Ende.
     
    Ich habe es an einem
     sicheren Ort hinterlegt. An derselben Stelle, wo es ungesehen und ungestört
     überdauert hat, seit es, nicht lange nach seiner Schöpfung,
     verloren ging. Doch ich befinde mich in einer vertrackten Lage. Ich würde
     es gerne an mich nehmen und von einem Experten schätzen lassen. Doch
     ich kenne weder Namen noch Ort einer solchen Autorität hier, an
     diesem rauhen Ende der Civilisation. Ebensowenig wüßte ich, wie
     ich den Gegenstand seinem derzeitigen Platz entreißen könnte,
     ohne seine Zerstörung zu riskieren - er ist empfindlich, und ich fürchte,
     die harte Reise auf dem Pferderücken und in der Eisenbahn würde
     ihm zusetzen, umso mehr eine Seereise.        
    Einer der Knaben hier
     behauptet, er sei - »vor vielen Jahren« - Ihr glühender
     Schüler gewesen, und er erzählt, Ihr Blick, Sir, sei von
     wunderbarer Weisheit, vor allem wenn es um Räthsel literarischer
     Natur geht. Ich wäre Ihnen ewig dankbar, wenn Sie mir in dieser Sache
     Rath angedeihen lassen könnten. Wenn Sie darüber hinaus eine
     Wette eingehen möchten, ob sich die Mühe am Ende auszahlen könnte
     für einen Spieler, bin ich,

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