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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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will Priester werden.«
     Erst als er sie anblickte, sah sie die Verzweiflung in seinen Augen.
     »Katholischer Priester. Jesuit.«
    Ein Schauer lief ihr über
     den Rücken. Aufgrund ihrer Nähe zum Papst verstanden sich die
     Jesuiten als Soldaten Jesu und gaben ihr Leben, um das Licht Gottes in die
     gefährlichsten Winkel der Welt zu tragen - England eingeschlossen,
     solange England und seine häretische Königin am protestantischen
     Glauben festhielten. Die Minister der Königin sahen die Sache anders.
     Sie hassten den Jesuitenorden als Hort religiöser Fanatiker, die
     endlos Mordkomplotte gegen die Königin schmiedeten, um einen
     katholischen Regenten auf Englands Thron zurückzuholen und das
     englische Volk durch die Höllenfeuer der Inquisition zu zerren, mit
     spanischen Schwertern an ihren Kehlen.
    Es zählte als
     Hochverrat, wenn ein Jesuit einen Fuß auf englischen Boden setzte.
     Und dennoch kamen sie. Also machte man gnadenlos Jagd auf sie, und wenn
     man sie fasste, mussten sie die schlimmsten Foltermethoden über sich
     ergehen lassen, die den Vernehmungsbeamten der Königin einfielen. Was
     von ihnen übrig blieb, wurde dem Henker übergeben.          
    Die Vorstellung, die
     schlanke, goldene Schönheit des Knaben könnte jenen Torturen
     unterworfen werden, ließ sie erblassen.
    Es war nichts Ungewöhnliches
     für eine irische Familie mit vielen Söhnen, dass sich einer
     davon dem Priesterstand anschloss. Doch seine Brüder, beklagte
     Shakespeare bitter, flößten Will die Sehnsucht nach Märtyrertum
     ein, und sie waren in der Position, ihm dazu zu verhelfen. Es waren
     Kreaturen der Howards, und obwohl die Howards sich laut und öffentlich
     zum Protestantismus bekannten - wann immer sie ihre Haut retten mussten,
     waren sie erzkatholisch, um ihre Seele zu retten. Man munkelte, die
     Howards, angeführt vom intriganten Grafen von Northampton und seinem
     Neffen, dem Grafen von Suffolk, wurden vom König von Spanien bezahlt.
     Falls irgendwer einem jungen Engländer helfen konnte, sicher ins
     feindliche Spanien und in den verbotenen Hafen eines Jesuitenseminars zu
     gelangen, dann die Howards, die, indem sie den Eifer anderer unterstützten,
     Buße für ihren eigenen religiösen Wankelmut taten.
    Kein Wunder, dass Shakespeare
     verzweifelt war. Sie trat zu ihm ans Fenster und legte ihm voll Mitleid
     die Hände auf die Schultern. Er streichelte ihre Wange, dann ließ
     er den Finger bis zur Grube unter ihrem Hals gleiten. »Du könntest
     eine andere Sehnsucht in ihm entfachen.«
    Die Herausforderung hatte sie
     gereizt. Sie hatte mit Ehefrauen und Mätressen, mit Knaben und Männern
     um die Gunst ihrer Geliebten gebuhlt - und fast immer hatte sie gewonnen.
     Doch sie hatte sich noch nie mit Gott gemessen. Sie wollte bereits
     einwilligen, als ihr die Tragweite seiner Bitte dämmerte. Shakespeare
     wollte nicht nur, dass sie den Knaben verführte. Er bat sie, ihn zu
     befriedigen.
    Einen Moment lang war sie
     versucht zu gehen und nie wiederzukehren. Sie war keine Hure, deren flüchtige
     Dienste er gekauft oder bei einer Wette gewonnen hatte. Sie war keine
     Ehefrau, deren dauerhafte Dienste er zu einem höheren Preis erstanden
     hatte, um sie nach Belieben weiterzuverpachten. Sie war ihre eigene
     Herrin, und auch wenn sie zu Neckereien bereit war und sich nicht schämte,
     diese für ein Schmuckstück oder ein neues Kleid einzutauschen -
     ihre Liebe verschenkte sie, sie verkaufte sie nicht. Er aber war so um die
     reine Schönheit des Knaben besorgt, dass er bereit war, die ihre zu
     verhökern, und das kränkte sie zutiefst.
    Sie spürte, wie sich
     tief in ihrem Innern eine finster schwelende Rachsucht regte. Ja, sie würde
     Will verführen, doch damit nicht genug. Zur gleichen Zeit würde
     sie Shakespeare zurückerobern, bis sowohl der Dichter als auch der
     Knabe für sie brannten, mit lodernden Flammen, die niemand zu löschen
     vermochte. Und wenn die Zeit reif war, würde sie dafür sorgen,
     dass beide davon erfuhren.
    Und so hatte sie sich in
     Seide und Perlen gehüllt, ihr schwarzes Haar zu langen glänzenden
     Kaskaden gebürstet und war vom Dichter zum Knaben gegangen, um Will
     mit Musik und Kerzenlicht in ein Netz aus Verlangen, Honig und Galle zu
     locken, bis er sich ganz darin verstrickte. Und die ganze Zeit wusste sie,
     dass Shakespeare einen Stock tiefer wartete, auf einem hohen Stuhl in
     seiner Kammer, und in das Herz des Feuers

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