Die Shakespeare-Morde
will Priester werden.«
Erst als er sie anblickte, sah sie die Verzweiflung in seinen Augen.
»Katholischer Priester. Jesuit.«
Ein Schauer lief ihr über
den Rücken. Aufgrund ihrer Nähe zum Papst verstanden sich die
Jesuiten als Soldaten Jesu und gaben ihr Leben, um das Licht Gottes in die
gefährlichsten Winkel der Welt zu tragen - England eingeschlossen,
solange England und seine häretische Königin am protestantischen
Glauben festhielten. Die Minister der Königin sahen die Sache anders.
Sie hassten den Jesuitenorden als Hort religiöser Fanatiker, die
endlos Mordkomplotte gegen die Königin schmiedeten, um einen
katholischen Regenten auf Englands Thron zurückzuholen und das
englische Volk durch die Höllenfeuer der Inquisition zu zerren, mit
spanischen Schwertern an ihren Kehlen.
Es zählte als
Hochverrat, wenn ein Jesuit einen Fuß auf englischen Boden setzte.
Und dennoch kamen sie. Also machte man gnadenlos Jagd auf sie, und wenn
man sie fasste, mussten sie die schlimmsten Foltermethoden über sich
ergehen lassen, die den Vernehmungsbeamten der Königin einfielen. Was
von ihnen übrig blieb, wurde dem Henker übergeben.
Die Vorstellung, die
schlanke, goldene Schönheit des Knaben könnte jenen Torturen
unterworfen werden, ließ sie erblassen.
Es war nichts Ungewöhnliches
für eine irische Familie mit vielen Söhnen, dass sich einer
davon dem Priesterstand anschloss. Doch seine Brüder, beklagte
Shakespeare bitter, flößten Will die Sehnsucht nach Märtyrertum
ein, und sie waren in der Position, ihm dazu zu verhelfen. Es waren
Kreaturen der Howards, und obwohl die Howards sich laut und öffentlich
zum Protestantismus bekannten - wann immer sie ihre Haut retten mussten,
waren sie erzkatholisch, um ihre Seele zu retten. Man munkelte, die
Howards, angeführt vom intriganten Grafen von Northampton und seinem
Neffen, dem Grafen von Suffolk, wurden vom König von Spanien bezahlt.
Falls irgendwer einem jungen Engländer helfen konnte, sicher ins
feindliche Spanien und in den verbotenen Hafen eines Jesuitenseminars zu
gelangen, dann die Howards, die, indem sie den Eifer anderer unterstützten,
Buße für ihren eigenen religiösen Wankelmut taten.
Kein Wunder, dass Shakespeare
verzweifelt war. Sie trat zu ihm ans Fenster und legte ihm voll Mitleid
die Hände auf die Schultern. Er streichelte ihre Wange, dann ließ
er den Finger bis zur Grube unter ihrem Hals gleiten. »Du könntest
eine andere Sehnsucht in ihm entfachen.«
Die Herausforderung hatte sie
gereizt. Sie hatte mit Ehefrauen und Mätressen, mit Knaben und Männern
um die Gunst ihrer Geliebten gebuhlt - und fast immer hatte sie gewonnen.
Doch sie hatte sich noch nie mit Gott gemessen. Sie wollte bereits
einwilligen, als ihr die Tragweite seiner Bitte dämmerte. Shakespeare
wollte nicht nur, dass sie den Knaben verführte. Er bat sie, ihn zu
befriedigen.
Einen Moment lang war sie
versucht zu gehen und nie wiederzukehren. Sie war keine Hure, deren flüchtige
Dienste er gekauft oder bei einer Wette gewonnen hatte. Sie war keine
Ehefrau, deren dauerhafte Dienste er zu einem höheren Preis erstanden
hatte, um sie nach Belieben weiterzuverpachten. Sie war ihre eigene
Herrin, und auch wenn sie zu Neckereien bereit war und sich nicht schämte,
diese für ein Schmuckstück oder ein neues Kleid einzutauschen -
ihre Liebe verschenkte sie, sie verkaufte sie nicht. Er aber war so um die
reine Schönheit des Knaben besorgt, dass er bereit war, die ihre zu
verhökern, und das kränkte sie zutiefst.
Sie spürte, wie sich
tief in ihrem Innern eine finster schwelende Rachsucht regte. Ja, sie würde
Will verführen, doch damit nicht genug. Zur gleichen Zeit würde
sie Shakespeare zurückerobern, bis sowohl der Dichter als auch der
Knabe für sie brannten, mit lodernden Flammen, die niemand zu löschen
vermochte. Und wenn die Zeit reif war, würde sie dafür sorgen,
dass beide davon erfuhren.
Und so hatte sie sich in
Seide und Perlen gehüllt, ihr schwarzes Haar zu langen glänzenden
Kaskaden gebürstet und war vom Dichter zum Knaben gegangen, um Will
mit Musik und Kerzenlicht in ein Netz aus Verlangen, Honig und Galle zu
locken, bis er sich ganz darin verstrickte. Und die ganze Zeit wusste sie,
dass Shakespeare einen Stock tiefer wartete, auf einem hohen Stuhl in
seiner Kammer, und in das Herz des Feuers
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