Die Sherbrooke Braut
Informationen von locker plaudernden Offizieren und angeworbenen Soldaten.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten. Sein Französisch war makellos, seine Manieren so, wie sie sein sollten - er hörte sich die Klagen und Beschwerden der eingezogenen Soldaten an und bedauerte sie - und aus sicherer Entfernung lauschte er den Offizieren, eine angebrachte Ehrerbietung zur Schau stellend. Die Gespräche drehten sich um eine bevorstehende Invasion. Napoleon hatte vor zwei Wochen die zahlreichen Lager an der Küste besucht und den Männern versichert, daß sie bald, sehr bald diesen elenden Graben überqueren würden. Man würde es diesen englischen Bankiers und Kaufleuten schon zeigen, daß es die Franzosen waren, die Land und See befehligten. Große Worte, dachte Douglas. Glaubte Napoleon wirklich, daß das englische Landvolk ihn als ihren Befreier begrüßen würde, wenn er es schaffen könnte, den Kanal zu überqueren, die englische Marine zu schlagen und in Dover zu landen?
Zwei Tage vergingen. Douglas langweilte sich und wurde unruhig. Doch dann erhielt er die Instruktionen von Georges Cadoudal durch einen einbeinigen Bettler. Dieser humpelte auf ihn zu, stinkend wie verrotteter Kohl, und steckte ihm ein dickes Paket in die Manteltasche. Der stinkende Kauz verschwand, bevor Douglas irgendwelche Fragen an ihn richten konnte. Zweimal las er den Brief durch und prägte sich die präzisen Instruktionen ein. Jedes beiliegende Papier und Dokument studierte er gründlich. Dann lehnte er sich zurück und dachte nach, was Cadoudal wohl jetzt von ihm erwartete. Er schüttelte den Kopf über die Kompliziertheit und die unbekümmerte Arroganz des Planes. Georges Cadoudal war zu allen Zeiten unüberlegt, manchmal empörend in seiner Art; er war entweder brillant oder unfähig. Niederlagen machten ihm zu schaffen, und Douglas wußte, daß er in letzter Zeit wenig Erfolge zu verzeichnen hatte.
Er mußte offensichtlich Stunden damit verbracht haben, diesen Plan zur Rettung jenes verdammten Mädchens, Janine Daudet, auszuarbeiten. Cadoudal war der Kopf hinter der geplanten Verschwörung, Napoleon zu entführen, einen Aufstand in Paris auszulösen und den Comte d’Artois, einen jüngeren Bruder von Louis XVI, umgehend auf den Thron zu setzen. Außerdem hatte er mehr als eine Million Francs von der englischen Regierung erhalten, so daß Lord Avery geneigt war, seinen Wünschen zu entsprechen. Offensichtlich konnte Georges es nicht riskieren, die Rettung selbst auszuführen. Auch wußte er, daß Douglas Experte war, was General Honoré Belesain anging. Deshalb bestand er auf seine Person, Douglas. Er glaubte wohl fest daran, daß Douglas es schaffen würde. Douglas überlegte, ob Georges von Belesains wüstem Ruf mit Frauen wußte. Verdammt.
Am nächsten Morgen schloß Douglas die Knopfleiste seiner unvertrauten Uniformhose und strich seinen schwarzen Mantel glatt. Sobald er Boulogne erreichte, würde er ein offizieller Beamter aus Paris sein, ein Gesandter von Bonaparte höchstpersönlich, der die Vorbereitungen zur Invasion Englands überprüfte. Er betete inständig, daß die Papiere, die Cadoudal ihm geschickt hatte, in Ordnung waren. Mit all dem englischen Geld, das er zur Verfügung hatte, konnte sich Georges sicher die besten Fälscher leisten. Douglas wollte schließlich um nichts in der Welt erkannt und als Spion erschossen werden.
Punkt zwölf Uhr - jeder Zoll ein diensteifriger Beamter, dessen Autorität aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Verstand, sein Auftreten und seine Herkunft übertrafen - machte er sich auf seinen Weg nach Boulogne zur Residenz des Generals Honoré Belesain. Das Haus war nicht schwer zu finden, denn es gehörte dem Bürgermeister und war das größte Haus der Stadt. Der General war ein Gast des Bürgermeisters. Der selbst war, weiteren Recherchen zufolge, schon seit mehr als drei Monaten nicht mehr gesehen worden.
Douglas kannte fast alles über General Belesain. Nichts, was der General tat, konnte Douglas noch überraschen. Er war ein brillanter Taktiker und ein fähiger Verwaltungsbeamter, obwohl ein Großteil der Arbeiten von Beratern erledigt wurde. Er war gemein zu beiden, seinen Gefangenen und seinen eigenen Leuten, und war nicht nur gelegentlich von jungen Mädchen angetan. Er sah sich als beides, als den Inbegriff eines fähigen Militärgenerals und als den eines unübertroffenen Liebhabers. Douglas wußte, daß sich seine Frau nach langer Leidenszeit mit ihren vier Kindern im
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