Die Sherbrooke Braut
bedacht auf seinen Stand, hatte ein Freund die Bemerkung fallen lassen, daß er dem But-ler ähnlicher sei, als seinem eigenen Vater. Darauf hatte Douglas ihm eine verpaßt.
Hollis räusperte sich.
Douglas blickte auf, eine schwarze Braue fragend erhoben.
»Ihr Cousin Lord Rathmore ist soeben angekommen, Mylord. Er bat mich, Sie nicht zu stören, aber man kann schlichtweg die Anwesenheit Seiner Lordschaft nicht ignorieren.«
»Ganz recht. Tony zu bitten, in einer stillen Ecke auf jemanden zu warten, ist schlechterdings nicht möglich. Ich komme sofort. Ich frage mich nur, was Seine Lordschaft wünscht? Sicher nicht, mich zu einer Heirat zu drängen.«
»Sehr wahrscheinlich nicht, Mylord. Wenn ich offen sein darf, sieht Seine Lordschaft etwas niedergeschlagen aus, etwas bitter um den Mund. Vielleicht krank, nicht so sehr körperlich, wenn Sie wissen, was ich meine, eher seelisch. Wenn ich eine Vermutung äußern darf, und die Vorlieben Seiner Lordschaft kennend, würde ich einmal sagen, daß es das schöne Geschlecht betrifft.« Mit einem Blick in die Ferne fügte er hinzu: »Zumindest ist dies gewöhnlich der Fall.«
»Verdammt«, bemerkte Douglas und stand von seinem Tisch auf. »Ich sehe nach ihm.« Er starrte noch einmal auf die beiden Briefe. Mußte der Bote halt noch etwas warten. Er mußte gründlich nachdenken, mußte die ihm gegebenen Alternativen abwägen. Er brauchte noch etwas Zeit. Außerdem war Anthony Cohn St. John Parrish, Viscount Rathmore, der Sohn des ersten Cousins seiner Mutter und sein Lieblingsvetter. Vor sechs Monaten hatten sie sich das letzte Mal gesehen.
Sein Cousin sah wirklich niedergeschlagen aus, ganz wie Hollis sagte. Douglas trat in das kleine Schloßherrenzimmer und schloß die Tür hinter sich. »Nun Tony«, begann er ohne Einleitung, »raus damit, was ist geschehen?«
»Hollis, vermute ich?«
»Ja. Erzähl.«
»Dieser Mann hätte Priester werden sollen.«
»O nein, er ist nur nicht blind. Außerdem ist er sehr angetan von dir. Nun erzähl mir, Tony.«
»Also gut, verdammt noch mal, wenn du es unbedingt wissen mußt. Ich bin nicht mehr verlobt. Ich bin ohne Verlobte. Ich wurde betrogen. Ich bin einsam und verlassen. Ich bin hier.«
Hatte Hollis je unrecht? Aber Douglas blieb skeptisch. »Willst du damit sagen, daß Teresa Carleton dich verlassen hat?«
»Natürlich nicht. Sei kein Einfaltspinsel. Nein, ich habe sie verlassen. Ich fand heraus, daß sie mit einem meiner Freunde schlief. Freund, ha! Dieses Miststück! Kannst du dir das vorstellen, Douglas? Diese Frau wollte mich heiraten - mich! Sie sollte meine Frau werden, verdammt noch mal. Mit großer Sorgfalt hatte ich sie für mich ausgewählt. Gehegt hatte ich sie wie eine kostbare Blüte, sie mit Nachsicht und Respekt behandelt. Mehr als Küssen war nicht drin, und das nicht einmal mit offenem Mund, glaub mir. Und in all dieser Zeit war sie die Geliebte meines Freundes. Es ist nicht zu fassen, Douglas, der Gedanke ist unerträglich.«
»Tony, sie war seit langem keine Jungfrau mehr«, wandte Douglas ein, »sie ist immerhin Witwe. Ich wage ja nicht zu erwähnen, daß auch du weiterhin mit deinen Mätressen geschlafen hast, und ich vermute, daß darunter auch Freundinnen von Teresa waren.«
»Das tut nichts zur Sache, das weißt du!«
»Vielleicht nicht, aber...« Douglas unterbrach sich. »Es ist also vorbei? Du bist wieder ein freier Mann? Hast du die Verlobung tatsächlich gelöst, oder bist du nur hier, um deine Wunden zu lecken und deine wiedergewonnene Freiheit zu überdenken?«
»Ja, ich habe die Beziehung abgebrochen und möchte diese Frau am liebsten umbringen. Mir Hörner aufzusetzen! Mir, Douglas!«
»Du warst noch nicht mit ihr verheiratet, Tony.«
»Aber fast. Ich kann es nicht akzeptieren, Douglas, ich kann es kaum wahrhaben, daß es tatsächlich geschehen ist. Wie kann eine Frau mir so etwas antun?«
Mein Cousin hat eine hohe Meinung von sich, dachte Douglas. Um die Wahrheit zu sagen, das hatten viele Leute.
Soweit Douglas wußte, hatte bisher keine Frau ein falsches Spiel mit Tony getrieben. Es war eigentlich immer Tony, der lachend den Hut nahm und ging. Bis er Teresa Carleton traf, eine junge Witwe, die den Viscount Rathmore, aus welch obskurem Grund auch immer, verzaubert hatte. Innerhalb einer Woche dachte er an nichts anderes und sprach von nichts anderem als Heirat. Dann begann sie das Spiel nach Tonys Regeln zu spielen. Nach seiner Schätzung mußte der Schlag vernichtend sein. Kein
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