Die Sherbrooke Braut
Sie hatte gehofft, verzweifelt gehofft, daß seine Reaktion, wenn er von ihr erfuhr, anders sein würde. Aber nun war Douglas nach Hause gekommen, und die Realität hatte ein wütendes Gesicht präsentiert. Es wird alles gut. Du darfst nicht aufgeben. Es wird alles gut. Meine dumme Litanei, dachte Alexandra, während sie die Treppen nach oben stieg. Dumm, unreif, und...
Melissande wartete auf dem oberen Treppenabsatz, ihre Hände vor der Brust verschränkt.
»Nun?« fragte sie ohne Einleitung. »Fangen sie wieder an zu streiten? Haben sie Gewehre in Anschlag genommen oder Degen gezogen? Werden Sie rücksichtslos um mich kämpfen?«
»Hast du Herzflattern?«
»Nein, sei nicht dumm. Was heißt das?«
Alexandra schüttelte den Kopf. Die Boshaftigkeit ihrer Schwester war unwürdig. »Er hat mich zu Bett geschickt«, lenkte sie ab. Sie zwang sich, jede Erregung aus ihrer Stimme herauszulassen.
»Du wußtest, daß das eintreten würde, Alex. Ich habe dich gewarnt, ich habe Vater gewarnt, aber er überredete dich, bei seinem Plan mitzumachen. Ich habe Tony gewarnt. Ihr wußtet alle, daß Douglas mich unbedingt haben wollte, nicht dich.
Wie konnte er jemals dich oder eine andere Frau wollen, nachdem er mich gesehen hatte? Er konnte sich nicht einmal an dich erinnern, stimmt’s?«
Alexandra nickte.
»Nicht, daß ich etwas dagegen hätte, daß du Gräfin bist, Alex, aber du wirst damit nicht glücklich. Wenn dein Ehemann dich haßt, wenn er es nicht ertragen kann, dich anzusehen, wenn er den Raum verläßt, nachdem du ihn betreten hast, wie kannst du da glücklich werden? Nein, ich bin es, die Gräfin hätte werden sollen, aber nun bin ich nur Vicomtesse. Aber das wollte ich doch, oder? Ich entschied mich für Tony, und er hatte keine andere Wahl, nachdem ich ihn erkoren hatte. Arme Alex! Armer Douglas! Bist du sicher, Douglas wird nicht versuchen, Tony umzubringen?«
»Hollis hat beide im Griff.«
»Ein Butler gibt Anweisungen«, kommentierte Melissande pikiert. »Wenn ich die Frau des Hauses wäre, würde ich mir das verbitten. Es ist mehr als befremdend.«
»Ja«, antwortete Alexandra, als sie an ihrer Schwester vorbeiging. Über ihre Schulter hinweg fügte sie ruhig hinzu: »Er will natürlich dich, du hast völlig recht. Er wird dich wahrscheinlich immer wollen.«
Melissande lächelt: »Ich warnte Tony, daß der Graf ihm niemals verzeihen würde. Aber er zog es vor, mir nicht zu glauben. Männer können die Wahrheit nicht vertragen, selbst wenn man sie ihnen aufrichtig und offen sagt. Sie glauben, sie könnten die Sachen so auslegen, wie es ihnen paßt.« Melissande hielt einen Moment inne und runzelte dann ihre schöne Stirn. »Ich fange an zu glauben, daß ich einen Fehler begangen habe. Tony ist nicht mehr der Mann, den ich geheiratet habe. Er will mich herumkommandieren, mich wie einen Gegenstand behandeln. Er eröffnete mir sogar, er sei kein Gentleman wie Douglas. In der Kutsche wollte er sich Freiheiten mit mir herausnehmen, Alex, am hellichten Tag, eine knappe Stunde von Claybourne entfernt! Kannst du dir das vorstellen? Ein solch ungeheuerliches männliches Verhalten konnte ich nicht zulassen. Sicher wäre Douglas nicht so taktlos, so respektlos den weiblichen Gefühlen gegenüber. Ja, ich habe wohl einen Fehler begangen. Weißt du, daß er sogar angedroht hat, mich zu...« Melissande beschloß, über weitere Enthüllungen den Mund zu halten.
Alexandra sah ihre Schwester bestürzt an. Bereute Melissande inzwischen, Tony geheiratet zu haben? Aber wie war das möglich? Sicher war bereits viel Unausgesprochenes geschehen. »Warum hast du dann Douglas angegriffen?«
»Weil du Tony angegriffen hattest«, stellte Melissande sachlich fest. »Es schien mir die richtige Handlungsweise. Bevor Tony nach unten ging, um nochmals mit Douglas zu reden, umarmte er mich und sagte, daß er mir das nächste Mal einen Drachen zum Erschlagen schickt. Es hatte ihm gefallen, daß ich mich wie eine Wilde aufführte, daß ich schrie und Douglas fast die Haare ausriß. Es ist merkwürdig. Er ist so unberechenbar. Männer sind überhaupt unberechenbar.«
Alexandra konnte ihre Schwester nur anstarren. »Tony wird die Sache mit Douglas wieder in Ordnung bringen. Die beiden stehen sich sehr nahe, sagte Hollis.«
Melissande zuckte die Schultern. »Ich denke, Tony sollte leiden für das, was er getan hat.«
»Aber du hast doch mitgemacht.«
»Tony ist der Mann, er trägt die Verantwortung.«
»Dummes Zeug«, entgegnete
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