Die Sherbrooke Braut
junger Mann. Sobald er verstand, was geschehen war, ließ er innerhalb von zwei Stunden die Familie von hier abreisen. Sie sind derzeit in London im Sherbrooke-Stadthaus.«
Und er hätte beinahe Janine in das Stadthaus gebracht! Doch Lord Avery hatte zum Schluß glücklicherweise entschieden, sich selbst um ihre Unterkunft zu bemühen. Douglas drehte sich zu Hollis. »Also bin ich mit diesem verfluchten Frauendieb allein im Haus.« Douglas rieb sich die Hände und grinste. »Wunderbar! Das heißt, ich kann ihn umbringen ohne Mitwisser, ohne Tyson, der mir von seiner imaginären Kanzel aus predigt, ohne Ryder, der mich auslacht, ohne meine Schwester und Mutter, die in Ohnmacht fallen. Nein, Hollis, das war nicht Ryders Idee, stimmt’s? Nein, du hast befürchtet, es könnten Unstimmigkeiten aufkommen und hast Ryder überzeugt, sie alle wegzubringen. Ich habe nichts dagegen, wirklich nichts dagegen. Gott sei Dank hast du sie weggeschickt. Und jetzt werde ich diesem verdammten Schweinehund von Cousin den Garaus machen«, brüllte Douglas und sprang auf.
»Bitte, es reicht, Mylord.«
Douglas erstarrte und sah auf die zarte Frau, die sich geprügelt hatte, um ihn zu schützen. Nun stand sie in der offenen Tür. Sie, die seine verdammte Ehefrau sein sollte. Er erschauerte. Sie war ihm so fremd. Es war absurd, es war nicht wahr. Er konnte und würde das nicht akzeptieren.
»Sagen Sie mir wenigstens Ihren Namen«, forderte er sie mit rauher Stimme auf, seine Wut nur schwer unterdrückend.
»Mein Name ist Alexandra Gabrielle Chambers, das jüngste Kind des Duke of Beresford. Doch ich bin kein Kind mehr, ich bin achtzehn Jahre und eine Frau.« Sie machte eine Pause, und er sah ihr angespanntes Gesicht. Ein wirklich hübsches Gesicht, mit leuchtend grauen Augen, die ganz und gar nicht dumm dreinblickten. Bestimmt band sie ihr Haar mit einer Schleife im Nacken zusammen. Sie hatte einen zierlichen Knochenbau, einen hübschen Mund, gut geschwungene Brauen und reizende kleine Ohren. Doch es ließ ihn kalt, nichts davon berührte ihn. Sie fingerte an der Schärpe ihres blaßblauen Morgenmantels: »Können Sie sich denn gar nicht an mich erinnern, Mylord?«
»Nein.«
»Ich habe mich wohl etwas verändert. Ich war runder und auch kleiner. Ich trug sogar zeitweise eine Brille zum Lesen. Mein Haar war immer streng in kindliche Zöpfe geflochten, so daß es schon möglich ist, daß Ihr mich nicht beachtet habt, aber jetzt...«
»Es kümmert mich nicht, ob Sie glatzköpfig oder korpulent waren. Gehen Sie. Gehen Sie zurück ins Bett. Sie können sicher sein, daß ich heute nacht nicht kommen werde, um Sie zu vergewaltigen. Es ist nicht meine Art, mit fremden Frauen ins Bett zu gehen.«
Sie richtete sich sehr gerade auf, und mit einem kurzen Blick auf Tony nickte sie: »Wie Sie wünschen, Mylord. Ich werde im angrenzenden Zimmer schlafen, wenn es Ihnen recht ist.«
»Schlafen Sie im Flur, wenn Sie wollen. Schlafen Sie mit Tony. Immerhin hat er Sie ja auch geheiratet.«
»Wirklich, Douglas!«
Alexandra drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging. Sie nahm eine Kerze von dem großen spanischen Tisch in der Eingangshalle und stieg langsam die Treppe nach oben. Was hatte sie erwartet? Daß er sie nur ansah und in Verzückung geriet über das Geschenk, das Tony ihm mitgebracht hatte? Daß er sie mit Melissande vergleichen und sich sofort für sie entscheiden würde? Daß er Halleluja singen und seinen Reichtum wohltätigen Zwecken zur Verfügung stellen würde, dafür, daß Tony sie hergebracht hatte? All die Bemühungen ihres Vaters, sie zu überzeugen. Ja, ihr Vater - sie erinnerte sich genau, was er gesagt hatte, wie er sie gedrängt hatte und dabei ihre eigenen Gefühle gegen sie benutzte... Alexandra schüttelte den Kopf. Nein, es war alles nach ihrem Wunsch gelaufen. Hätte sie wirklich ablehnen wollen, ihr Vater hätte sie nicht gezwungen, Douglas in Abwesenheit zu heiraten. Sicher, das Geld benötigte er dringend. Auch glaubte er, daß die beiden, Douglas Sherbrooke und Anthony Parrish, nun da sie zur Familie gehörten, seinem albernen Nachfolger Reginald, sollte dieser erst einmal nach England zurückkehren, die Flausen schon austreiben würden.
Ha! Schon wieder versuchte sie Gründe zu finden, sich zu überzeugen, daß das, was sie tat, richtig, angemessen und wirklich großartig war. Dabei gab es überhaupt keinen >guten Grund<. Douglas war betrogen worden von seinem Cousin, von Melissande, von ihrem Vater und von ihr.
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