Die Sherbrooke Braut
verhangen - alles in allem ein trostloser Morgen, ein Morgen, der ihre Stimmung und offensichtlich auch seine widergab.
Das Licht im Stall war düster, und noch keiner der Stallburschen war aufgetaucht. Die Gerüche waren anheimelnd und tröstlich - Heu, Leinsamen, Leder und Pferde. Douglas trug Lederhosen, einen dunkelbraunen Mantel und Schaftstiefel, die eine Reinigung bitter nötig hatten. Er sah müde aus, unrasiert, zerzaust und äußerst gereizt. Auf einen Außenstehenden wirkte er sicher wie ein schlecht gelauntes, schmuddelig aussehendes Scheusal. In ihren Augen sah er jedoch blendend aus.
»Ich wollte ausreiten, Mylord.«
»Vielleicht ist meine Sicht getrübt, doch ich sehe kein fremdes Pferd im Stall. Wo ist das Pferd, das Sie reiten wollen? Ich nehme an, daß es ein Pferd ist. Obwohl ich anscheinend der Esel in diesem Drama bin, können Sie mich nicht reiten.«
Alexandra war über diese Unverschämtheit einen Moment still, antwortete aber dann gefaßt: »Mr. McCallum hat mir liebenswürdigerweise Fanny als Reitpferd überlassen, seit ich hier bin.«
»Fanny gehört meiner Schwester.«
»Ich weiß. Sie ist eine temperamentvolle Stute, mit sanften Nüstern und freundlichem Wesen. Ich bin eine sehr gute Reiterin, Mylord. Sie müssen sich nicht sorgen, daß sie nicht anständig geführt würde. Oder würden Sie es vorziehen, wenn ich ein anderes Pferd nähme?«
Er sah sie mißbilligend an. »Sie haben also nicht Ihr eigenes Pferd mitgebracht?«
»Nein.« Ihr Vater hatte vor zwei Monaten mehrere der herzoglichen Pferde verkauft und somit den einst ruhmreichen Stall von Chambers geleert. Das war, ehe Douglas ihm sein großzügiges Angebot zugeschickt hatte und ehe er wußte, daß er mehr benötigte, um Claybourn zu retten.
»Sie tragen ein Reitkostüm, das weder neu ist noch dem Stil des letzten Jahres entspricht. Ich nehme an, daß Ihr hochgeschätzter Schurke von Vater Sie nur mit dem Nötigsten an Kleidern weggeschickt hat, auf daß Sie den Rest von mir erbetteln würden.«
Ein verbaler Angriff, der einiges versprach.
»Ich weiß nicht. Ich habe nicht darüber nachgedacht.«
Er schnaubte regelrecht. Sie hörte ein antwortendes Schnauben von einer der geschlossenen Boxen. »Das ist Garth«, bemerkte Douglas abwesend. »Sie denken also nicht an Falbeln, Borten und Volants?«
»Natürlich, wenn es angebracht ist.«
»Ich kann mir kaum vorstellen, daß Melissande nicht an schönen Kleidern, Falbeln und all diesen anderen Dingen interessiert ist, die Frauen tragen, um Männern den Kopf zu verdrehen und Narren aus ihnen zu machen. Warum sollten Sie anders sein?«
»Melissande ist schön. Sie braucht schöne Dinge, bewundert sie, und...«
»Ha! Sie braucht gar nichts, sie würde in nichts als ihrer weißen Haut herrlich aussehen.«
Ein weiterer verbaler Angriff, der den ersten noch übertraf.
»Ja, das ist auch wahr. Was glauben Sie, soll ich tun, Mylord?«
»Ich glaube, Sie sollten gehen. Und ich wünschte mir, daß dieses Debakel nur ein Alptraum wäre, aus dem ich erwachen könnte.«
Alexandra behielt ihre aufrechte Haltung und ihren freundlichen Gesichtsausdruck. Sie zwang sich, ihn nicht anzuschreien, die Fäuste nicht gegen ihn zu erheben oder womöglich in die Knie zu fallen und zu wehklagen. »Ich meinte, ob Sie wohl gestatten, daß ich Fanny reite. Oder soll ich eine andere Stute nehmen oder gar nicht reiten?«
Douglas fuhr sich durchs Haar. Er starrte auf dieses schmale Wesen, von dem ihm jeder erzählte, daß sie tatsächlich seine Ehefrau sei. In dem dämmrigen Licht sah sie blaß aus. Ihr Rücken war so gerade, als hätte sie einen Besenstiel verschluckt. Ihr Haar war unter einem recht schäbigen Reiterhut versteckt. Eine lange Strähne hatte sich gelöst und war in einer leichten
Locke auf ihre Schulter gefallen. Das Haar hatte eine schöne Farbe, ein etwas seltsames, dunkles Rot - aber, gleichviel. Es hätte blau sein können, es würde ihn doch nicht interessieren.
Diese Frau war für ihn eine Fremde.
Er fluchte.
Alexandra rührte sich nicht von der Stelle.
»Ah, zum Teufel! Sie können Fanny reiten. Ich werde feststellen, ob Sie gut genug sind, sie weiter zu reiten.«
Mr. McCallum war ein Mann von fünfzig, drahtig, kraftvoll wie ein Zwanzigjähriger, braungebrannt und mit einer jungen Witwe von zweiundzwanzig verheiratet. Er stand jetzt draußen vor dem Stall und gab einem Stalljungen Anweisungen, als der Graf und Alexandra mit ihren Pferden heraustraten.
»Guten Morgen,
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