Die Sherbrooke Braut
leisten?«
»Ich werde Ihnen auch Gesellschaft leisten«, kündete Melissande an. Sie betrachtete ihre Schwester mit ehrlicher Bestürzung. Das ist mehr als befremdend, dachte Melissande, und sah Ryder erstaunt an, der nur Augen für Alex zu haben schien. Ihr Spiegel log doch nicht. Vielleicht war der arme Ryder übermäßig kurzsichtig, wie sie von Anfang an vermutet hatte. Sie drehte sich um zu ihrem Mann, sah ein spöttisches Glänzen in seinen dunklen Augen und runzelte die Stirn. Sie drehte sich weiter zu Douglas. Hier fand ihre Seele augenblicklich Trost. Sein Herz lag in seinen Augen, und beide sahen wunderbar zerschlagen aus.
Sie schenkte ihm ein liebliches Lächeln und nickte ihm zu:
»Vergeben Sie mir, daß ich Ihnen letzte Nacht Unannehmlichkeiten bereitete.«
Douglas schüttelte den Kopf.
»Komm und serviere mir den Tee, Mellie«, unterbrach sie Tony.
»Ich sagte doch schon, ich mag diesen fürchterlichen Namen nicht!«
Douglas’ rechtes Auge zuckte.
»Komm, Mellie«, wiederholte Tony.
»Ein netter Spitzname«, bemerkte Ryder und beobachtete interessiert diese atemberaubende Person, die kurz davor stand, ihrem Ehemann die Augen auszukratzen. Als sie nicht rea-gierte, schürte er das Feuer noch ein bißchen: »Ich mag den Klang von >Mellie<. Hört sich etwas unordentlich und gemütlich an, wie ein Paar alter Hausschuhe, in die ein Mann seine Füße hineinschlüpfen und an den Kamin halten kann.«
Alexandra lachte: »Besser als Alex. Ich möchte gerne gemütlich klingen und nicht so, als sei ich ein Mann.«
»Niemand würde diesen Fehler begehen«, sagte Ryder.
Beide, Douglas und Melissande, runzelten die Stirne.
»Ihr Kleid ist erbärmlich«, bemerkte Douglas zu seiner Frau. »Es ist so aus der Mode, daß ich bezweifle, ob es jemals modisch war.«
Ihr Kinn reckte sich, und der Besenstiel stärkte verdächtig ihren Rücken. »Es ist blau. Blau ist eine sehr schöne Farbe.«
»Sie sehen wie ein Schulmädchen aus.«
»Dann möchten Sie mir vielleicht ein neues kaufen? Oder vielleicht ein Dutzend? Ist mein schmeichlerischer Ton ausreichend genug, Mylord?«
Douglas merkte, daß jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, seine schlechte Laune zu zeigen. Er riß sich zusammen und versuchte, seine innere Kontrolle, die er bis vor vierundzwanzig Stunden noch zur Genüge besaß, wiederzuerlangen. Dieses Mädchen hatte sie ihm geraubt. Er fühlte sich verletzbar und ausgeliefert.
Er nahm einen Keks und biß hinein.
»Haben Sie Fanny geritten?« fragte Ryder.
»Ja, eine wundervolle Stute. Doch bin ich mir nicht sicher, ob seine Lordschaft davon überzeugt ist, daß ich gut genug reite.«
»Du bist gefallen«, warf Melissande ein. »Das war nicht gut von dir, Alex.«
Zu Douglas’ Überraschung sagte Alexandra nur entschuldigend: »Es war bedauerlich, aber ich werde in Zukunft vorsichtiger sein.«
Die Frage war, gäbe es überhaupt eine Zukunft. Er mußte hier raus und sich ein paar ernsthafte Gedanken machen. Eine Annullierung schien die beste Antwort, der einzig logische Schritt. Er sah hinüber zu Alexandra. Sie sah ihn direkt an. Er sah eine so große Unsicherheit in ihren Augen, daß er zusammenzuckte. Und er sah Furcht. Furcht vor ihm? Zweifellos darüber, was sie ihm angetan hatte. Sollte sie ruhig Angst vor ihm haben!
Douglas stand schnell auf und nickte der versammelten Gesellschaft zu. »Ich muß noch mit Danvers arbeiten. Die Post liegt sicher schon bereit.«
Er ging. Als er die Tür hinter sich schloß, hörte er Ryders Lachen.
Die Post war leider auch nicht sehr erheiternd, was Douglas’ Laune nicht hob...
Es regnete bis in den frühen Nachmittag, ein leichter weicher Nieselregen, der sich dann aufklärte und einen sehr blauen Himmel und frische Luft hinterließ. Alexandra fand Ryder Sherbrooke in dem überwucherten Garten westlich vom Haus. Er lehnte an einem Eichenbaum und starrte ins Leere, sich zufrieden in der warmen Sonne, die durch die Zweige schien, räkelnd.
»Ryder?«
»Ah, meine kleine Schwester. Bin ich ein Zufall, oder habt ihr mich in einer bestimmten Angelegenheit gesucht?«
Sie hatte so jemanden wie ihn noch nicht getroffen, doch sonderbar, sie vertraute ihm.
»Ich fragte Hollis, wo Sie sind. Er weiß immer, wo jemand ungefähr sein könnte.«
»Das ist wahr. Kommen Sie, setzen Sie sich neben diese fette Nymphe. Was halten Sie von all diesen Statuen? Mein Großvater hatte sie während seiner bacchanalen Phase aus Florenz mitgebracht. So hatte es einer seiner
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