Die Sherbrooke Braut
trank ihn aus und wies mit seinem Schwenker zu Tony hin. »Ich werde diesen erbärmlichen Schurken umbringen. Willst du mir sekundieren, Ryder?«
»Du hast einen Riß in deinen Reithosen. Zu deiner Frage sage ich nein, ich kann dir wirklich nicht sekundieren. Ich mag Tony, habe ihn immer gemocht. Weißt du, Douglas, du mußt einem Verwandten ein paar Freiheiten zugestehen, insbesondere einem Verwandten, der uns so nahe ist wie Tony. Wir haben einen Großteil unserer Jugend miteinander verbracht. Er hat dich nie vorher übers Ohr gehauen, oder? Du wirst gezwungen sein, das zu bestätigen, und ich muß dir zustimmen. Es ist nur dieses eine Mal, daß er über die vetterlichen Stränge geschlagen hat. Nur einmal. Folglich ist Vergebung...« Douglas schleuderte seinen Cognacschwenker nach Ryder, der sich behende duckte. Das Glas zerbarst am Kamin.
In diesem Augenblick klopfte es an die Bibliothekstür.
»Herein«, rief Tony.
Hollis trat ein. Er trug ein schweres Silbertablett mit dem Northcliffe-Wappenschmuck darauf - ein Löwe, seine Vorderpfoten auf einem Schild, der zugleich edel und bösartig aussah. »Ich bringe ein paar Erfrischungen, Mylord.«
»Ha! Du kommst, weil du befürchtest, ich würde erneut versuchen, Tony aus der Welt zu schaffen.«
»Es ist weise, Wachsamkeit zu üben, Mylord. Ich habe hier köstliche Kekse aus Mrs. Tanners Küche, Sie lieben sie doch, Mylord. Und Master Ryder, für Sie habe ich Erdbeermarmelade gebracht, die Sie so mögen. Kommen Sie, Mylord.«
»Was ist mit mir, Hollis?« fragte Tony.
»Für Sie, Mylord, habe ich hier dicke Scheiben Teekuchen.«
»Ah, Sie sind ein Engel unter den Butlern, Hollis.«
»Ja, Mylord.«
Douglas fluchte brummend in sich hinein, Tony griff nach einem Stück Teekuchen, und Ryder hatte seine Hand um das Marmeladenglas gelegt.
Hollis stand im Hintergrund und fühlte sich etwas erleichtert. Doch als er vor der Bibliothekstür Schritte hörte, erblaßte er.
O nein! Nun war wirklich nicht die Zeit für die beiden Ehefrauen, zu erscheinen.
Beide Damen traten in die Bibliothek. Lady Melissande glitt voran auf graziösen Füßen; Lady Alexandra folgte ihr mit kräftig klingenden Schritten, bis sie den dicken Aubusson-Teppich erreichte. Lady Melissandes prächtiges schwarzes Haar fiel in weichen Wellen und ringelte sich um ihr Gesicht. Lady Alexandras Haar war von einer wunderschönen Farbe, doch es quoll aus einem leicht schiefen Knoten in ihren Nacken. Sie hätte mehr Zeit vor dem Spiegel verbringen sollen. Lady Melissande trug ein Kleid von Pfirsichfarbener Seide, das ihre fraulichen Formen einladend umschmeichelte. Lady Alexandra trug ein blaßblaues Kleid, mit nichts Auffälligem, außer einem beklagenswert hohen Kragen.
Beim Anblick der beiden Frauen, so Seite an Seite, konnte Ryder seines Bruders Einwand von Verrat verstehen. Den Mund voller Kekse und Erdbeermarmelade verschluckte er sich und bekam einen Hustenanfall. Alexandra ging ruhigen Schrittes zu ihm und schlug, so hart sie konnte, mit ihrer Faust zwischen seine Schulterblätter.
Unter der Wucht ihres Schlages brach er fast zusammen. Jedenfalls war der Husten weg. Noch immer rot im Gesicht blickte Ryder hoch und betrachtete die junge Dame. Schnell stand er auf. Er musterte sie noch einige Augenblicke und nickte dann langsam.
Er nahm ihre Hand und küßte ihren Handrücken. »Ich bin Ryder, Ihr Schwager. Sie sind Alexandra?«
»Ja. Geht es Ihnen wieder besser?«
»Sie haben mir zwar fast die Lunge aus der Brust geboxt - aber doch, ja, mir geht es jetzt gut. Der Krümel hat nun seinen richtigen Weg gefunden. Willkommen in der Sherbrooke-Familie. Haben Sie wirklich Douglas von seinem Pferd heruntergestoßen?«
Alexandra schüttelte den Kopf, als sie sagte: »Ich hatte es zu jenem Zeitpunkt nicht beabsichtigt.«
»Ah! Ich erinnere mich, ich ließ eine Bemerkung über etwas sehr Sanftes fallen, da haben Sie mich zu Boden gestoßen!« »Sie ist wirklich groß und stark, nicht wahr?« Ryder schloß seine Finger um ihren Oberarm. »Oh, stark wie eine Amazone und kräftig wie der Bulle von Squire Maynard. Sie ist erschreckend, Douglas, gewiß!«
»Sie waren ganz und gar nicht sanft«, wandte sich Alexandra an Douglas.
»Ich bin es auch nicht«, kam es murmelnd von Melissande.
Tony lachte. »Niemand bei klarem Verstand würde dich sanft nennen, Liebste.«
Ryder sprach zu Alexandra mit leichter und ungewöhnlich weicher Stimme: »Wollen Sie sich nicht setzen und uns Gesellschaft
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