Die Sherbrooke Braut
»Es ist ein Brief von unserer Plantage in Jamaika eingetroffen. In Kimberly Hall gibt es Schwierigkeiten. Ryder wird morgen fahren, um dort nach dem Rechten zu sehen.«
»Schwierigkeiten welcher Art?« fragte Alexandra.
»Grayson schrieb von sonderbaren Vorgängen, von schwarzer Magie, von Morden und von Sklavenaufständen. Sie können sich sicher vorstellen, worum es geht.«
»Dieser Grayson zeichnet sich durch Übertreibungen aus«, warf Ryder ein. »Wenn eine Fliege an seinem Kopf vorbeifliegt, nennt er es eine gigantische Wespe und behauptet, sie hätte ihn verhext. Dieses ganze Gerede klingt besorgniserregend. Doch wie ich unseren Grayson kenne, handelt es sich ganz sicher um nichts anderes als zwei jaulende Katzen.«
»Er ist ein guter Mann und ein hervorragender Verwalter«, beendete Douglas das Thema.
Ryder dachte an seine Kinder und runzelte mißbilligend die Stirn. Es war während seiner Abwesenheit für alles gesorgt, aber dennoch, er würde die kleinen Rangen vermissen. Nach einer langen Pause fuhr er fort: »Ich werde morgen sehr früh nach Southampton fahren. Also ist heute meine letzte Chance, mich bei meiner Schwägerin einzuschmeicheln. Ich mag Ihr rosa Kleid, Alexandra. Ich habe immer gesagt, daß tiefrotes Tizianhaar sehr gut durch bestimmte Rosatöne hervorgehoben wird.«
»Wird es tatsächlich.« Tony blickte so erstaunt auf Alexandra, als sähe er sie zum ersten Mal.
»Das Kleid ist alt und wie eine Nonnentracht zugeschnitten«, bemerkte Douglas. »Es ist genauso unmodern wie das blaue Kleid, das Sie heute am frühen Nachmittag getragen hat.«
Der Besenstiel machte sich wieder bemerkbar. Douglas hob seine Hand. »Nein, ich sagte nicht, daß ich eines Ihrer Kleider ersetzen würde. Also ersparen Sie sich weitere Kommentare von wegen Schmeicheleien. Ich habe lediglich bemerkt, daß Ihre frauliche Erscheinung zu wünschen übrig läßt.« »Es ist wahr, eine Dame sollte sich um ein gepflegtes Äußeres bemühen«, stimmte ihm Melissande zu.
Douglas sah hinüber zu Melissande. Sie sah so absolut fraulich und unsagbar köstlich aus, daß er für einen Moment verstummte.
»Deine Bemühungen, Mellie«, Tony streichelte zärtlich ihren nackten Oberarm, »würden unseren lüsternen Prinzen Georg in der Pfütze seines eigenen Geifers ausrutschen lassen.«
Alexandra lachte: »Das würde ich gerne sehen. Bringst du Melissande nach London, so daß der Prinz sie sehen und rutschen kann?«
»Alles zu seiner Zeit«, nickte Tony, »alles zu seiner Zeit.«
»Ich würde gerne sofort abreisen«, begeisterte sich Melissande. »Du hast ein Stadthaus, das ich noch nicht gesehen habe. Ich würde gerne einen Ball geben und alle wichtigen Leute einladen.«
»Alles zu seiner Zeit«, wiederholte Tony. »Als erstes mußt du Strawberry Hill, unseren Familiensitz in Cotswolds sehen.«
»Ein herrlicher Platz, um Kinder aufzuziehen«, bemerkte Ryder.
»Erinnerst du dich, Douglas, wie wir lauthals brüllend von diesem alten Ahorn in die Quelle sprangen?«
»Ja, und daran, daß Tony mit dem Ast abstürzte und fast ertrunken wäre, da der Ast ihn am Kopf traf, als er im Wasser landete.«
»Ich würde London bevorzugen«, war Melissandes Einwand.
»Du wirst bevorzugen, was ich bevorzuge, Mellie«, sagte Tony sehr bestimmt.
Mit einer Stimme, so hell wie Quellwasser im Sommer, fiel Ryder in das Gespräch: »Ich bin überzeugt, daß es Melissande in London gefallen würde, aber nur mit Tony. Da er aber Strawberry Hill bevorzugt, nun denn, so wird sie es ebenfalls bevorzugen. Melissande weiß, daß es die Pflicht und Freude der Frau ist, ihrem Mann zu gehorchen, ihn mit jedem ihrer Worte, Taten und sanften Liebkosungen zu ehren. Stimmen Sie mir zu, Alexandra?«
Mit einem Lächeln antwortete Alexandra: »Ich hätte gern den Ast gesehen, der Tony am Kopf traf und ihn fast ertrinken ließ.«
»Würde ich auch gerne«, stimmte Melissande zu, ihren Blick wachsam umherstreifend, »nachdem ich London genossen habe, mit meinem Mann natürlich.«
Douglas nahm einen Schluck vom roten Bordeaux und blickte Ryder über den Rand seines kristallenen Pokals an.
»Wie ich schon sagte«, fuhr Ryder fort, »Strawberry Hill ist ein wunderschöner Platz, um Kinder großzuziehen. Ich habe Tony sagen hören, daß er gerne ein gutes halbes dutzend Kinder haben möchte, die sich an seine Mantelschöße klammern.«
Tony, der niemals einen solchen Wunsch geäußert hatte, lächelte wie ein bereits vernarrter Vater.
Aus den Augenwinkeln
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