Die Sherbrooke Braut
das ist der Grund, weshalb ich so langsam geritten bin. Ich habe versucht, Sie zu hören. Ich fürchtete, Sie würden umkehren und ich würde in Sie hineinlaufen. Aber Sie sind ja äußerst gerissen, nicht wahr, Mylord? Sehr ausgefuchst. So einfach auflauern.«
Er schwieg. Sie sah ihn starr an. Dann reckte sie das Kinn in die Luft.
»Ich werde nicht zurückkehren, Douglas.«
»Sie werden exakt das tun, das ich Ihnen sage, Madam.«
»Sie reden unüberlegtes Zeug. Sie wollen mich nicht. Ist das Teil Ihres Plans, mich weiterhin zu demütigen? Wollen Sie mich etwa nach Claybourn Hall schleifen und mich mit einem Strick um den Hals meinem Vater übergeben? Ihm erklären, daß ich nichts tauge, daß ich Ihre Aufmerksamkeit nicht wert bin? Ich hätte nicht gedacht, daß Sie so grausam sind.«
Douglas legte die Stirn in ärgerliche Falten. Sein rasender Zorn war gerechtfertigt und durchaus verständlich. Doch sie drängte ihn in die Enge und machte ein regelrechtes Monster aus ihm. Er war ein Mann, gebildet, wortgewandt, mit einem gut ausgerüsteten Verstand. Und dennoch schikanierte sie ihn. Das hatte vor ihr noch kein weibliches Wesen gewagt. Im übrigen erwies sie sich als recht geschickt dabei. Das ließ er sich nicht gefallen. Sofort würde er das unterbinden.
»Kommen Sie«, befahl er. »Wir kehren zurück nach Northcliffe Hall.«
»Nein.«
»Wie wollen Sie mich davon abhalten, Sie zurückzuschleifen? Haben Sie etwa wieder vor, mir einen Rechen in den Bauch zu rammen? Nun, für welche Waffe Sie sich auch immer entscheiden, Sie werden nichts dergleichen tun. Diesmal nicht. Ich dulde Ihre Gewalttätigkeiten nicht mehr. Sie werden mir folgen und Ruhe geben, Schluß mit dieser Aufmüpfigkeit. Kommen Sie jetzt.«
Alexandra wirbelte Fanny herum und bohrte ihre Absätze in die Flanken der Stute. Im nächsten Augenblick dröhnte ein krachender Donner, der die Erde erbeben und die Bäume am Straßenrand schwanken ließ. Ein Blitz zuckte durch Regen und Dunkelheit, ein grellweißes, breites Zickzack. Er schlug in einen Ahorn ein.
Alexandra fuhr zusammen und fiel beinah vom Pferd. Sie drehte sich auf Fannys Rücken um, ihr Blick voll entsetztem Erstaunen: Sie traute ihren Augen nicht. Der Blitz hatte einen dicken Ast in der Gabelung getroffen. Der Ast knickte, Rauchwolken stiegen auf, und er fiel krachend auf die Straße, keinen halben Meter entfernt von Garths Vorderhufen. Der Hengst, außer sich vor Angst, wieherte, tänzelte erregt hin und her und verfing sich in den kräftigen Zweigen und in den Blättern des Astes.
Douglas hatte keine Chance. Er wurde abgeworfen und landete am Straßenrand. Dann rührte er sich nicht mehr.
Alexandra schrie auf, laut, gellend, in höchster Angst. Augenblicklich war sie an seiner Seite. Sie kniete über ihm und versuchte ihn vor dem prasselnden Regen zu schützen.
Er bewegte sich nicht. Endlich fand sie am Hals seinen Puls. Er ging regelmäßig. Sie setzte sich in die Hocke und sah ihn fest an. »Wachen Sie auf, verdammt noch mal! Douglas!«
Sie schüttelte ihn, versetzte ihm kräftige Ohrfeigen.
»Aufwachen! Das ertrage ich nicht! Sie treiben ein ehrloses Spiel. Sie halten mich hier fest, nur weil Sie hilflos sind. Wie niederträchtig von Ihnen. Nein, ich kann Sie doch nicht hier so liegenlassen. Aufwachen!«
Er rührte sich nicht. Seine Augen blieben geschlossen. Dann sah sie Blut hinter seinem linken Ohr hervorsickern. Er war beim Fallen gegen einen Stein geprallt.
Alexandra merkte zuerst gar nicht, daß sie ihren Körper über ihn gebeugt hin und her wiegte und aus tiefster Brust angsterfüllte Klagelaute ausstieß, die ihr beinahe die Kehle zuschnürten.
»Reißen Sie sich zusammen, Douglas! Liegen Sie nicht einfach nur so da.« War das tatsächlich ihre Stimme? Sie klang fest und stark. Es mußte etwas unternommen werden. Douglas brauchte sie. Sie blickte sich um. Beide Pferde waren ausgerissen, wahrscheinlich waren sie zu den Sherbrooke-Ställen zurückgekehrt. Sie waren jetzt mutterseelenallein. Es goß in Strömen. Douglas hatte das Bewußtsein verloren, vielleicht lag er sogar im Sterben.
Was tun?
Wieder beugte sie sich über ihn, um sein Gesicht vor dem Regen zu schützen. Wenn er doch wieder das Bewußtsein erlangte. Und wenn nicht? Was, wenn er einfach stumm und regungslos blieb, bis er tatsächlich starb?
Sie konnte, sie wollte das nicht hinnehmen. Sie mußte etwas unternehmen.
Aber was? Sie war nicht in der Lage, ihn hochzuheben oder
zu tragen. Vielleicht
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