Die Sherbrooke Braut
Schlafzimmer sah er einen schmalen Streifen Mondlicht durch das Fenster aufs Bett fallen. Es war leer. Nein, warte, da war sie, sie stand auf der anderen Seite des Bettes, starrte darauf und stöhnte leise, sehr leise. Nur, er hätte schwören können, daß sich ihr Mund nicht bewegte, daß sie keinen Laut von sich gab. Aber er hörte das Weinen, das Stöhnen, er hörte es klar in seinem Kopf. Es war so leise, daß er sich wunderte, wie er es in seinem Schlafzimmer nebenan hatte hören können. Ihre Arme hatte sie um ih-ren Körper geschlungen. So stand sie reglos, bis sie ihn bemerkte und ansah.
Sie verstummte. Er öffnete seinen Mund, doch kein Ton kam heraus. Im nächsten Moment war sie verschwunden. Sie löste sich in Nichts auf, langsam wie ein lautloser weißer Schatten im Mondlicht.
»Nein«, sagte Douglas laut und bestimmt. »Nein, verdammt! Ich will das nicht akzeptieren.«
Er rannte auf die andere Seite des Bettes. Alexandra war nicht da. Verdammt, er hatte alles geträumt. Er fühlte sich schuldig, und er hatte Visionen aus Schuldgefühlen heraus.
Wo war Alexandra? Sie konnte sich schnell verstecken, das mußte er zugeben. Dieses verdammte Mädchen. Es gab nicht viele Verstecke, wo man suchen konnte. Er sah in den Schrank, ging sogar auf die Knie, um unterm Bett nachzusehen.
Sie war nirgendwo. Es war mitten in der Nacht. Wo zum Teufel war sie?
Er sah ihr Gesicht klar vor sich. Er sah ihre Blässe, die Demütigung in ihren Augen, als seine Worte sie getroffen hatten, hart und unbarmherzig, Worte, die tief verletzten. Und er hatte ihr sogar ihre Schwester vorgeworfen, als sie stumm und verloren zwischen seinen Beinen stand, nackt, verwundbar und entsetzlich allein. Nun hatte sie ihn verlassen. Bar jeden Restes von Würde und verletzt. Und er hatte sie stillschweigend gehen lassen. Na und wenn schon, zum Teufel.
Gott sei Dank war es nicht so spät, wie er anfangs vermutet hatte. Es war kurz nach Mitternacht. Bald nachdem er eingeschlafen war, hatte es ihn aus dem Schlaf hochgeschreckt. Schnell warf er sich die Kleider über und ging leise nach unten. Er machte kein Licht, er brauchte keines. Er kannte jeden Fußbreit in Northcliffe. Aber sie nicht. Im Erdgeschoß gab es mehr als genug Möglichkeiten, sich zu verstecken. Aber sie würde einfach nicht hierbleiben wollen.
Es stellte sich für ihn gar nicht die Frage, woher er das wußte. Er öffnete die massive Vordertür und schlüpfte hinaus in die kalte, dunkle Nacht. Der schmale Streifen des Mondlichts war hinter dichten, grauen Wolken verschwunden. In Kürze würde es in Strömen regnen.
Er hatte die Kälte nicht bedacht. Nun zitterte er dank seiner Gedankenlosigkeit. Er trug nur ein Hemd, enge Lederhosen und Stiefel. Ein Wind kam auf, der Sturm näherte sich.
»Alexandra!«
Der Wind raschelte durch die Blätter. Ein Fenster schlug im oberen Stockwerk. Er spürte plötzlich Panik bei sich aufkommen und rannte zu den Ställen. Sie schienen verlassen zu sein, die Stallburschen lagen schon im Bett. Leise schlich er zu Fannys Box hinüber. Neben der Tür entdeckte er eine Lampe, die er leise und rasch anmachte. Er hob das Licht hoch und blickte sich um.
»Wer da?«
Ihre Stimme klang verängstigt. Gut so, sie hatte es verdient. Er war wütend auf sie. Ihn aus tiefem Schlaf zu wecken - offensichtlich hatte er keinen Alptraum gehabt -, aber sie hatte einen schweren Fehler begangen. Sie hatte ihn gezwungen, nach ihr zu schauen. Ihretwegen hatte er sich Sorgen gemacht, sie hatte ihm unnötig Scherereien beschert; ihretwegen hatte er ein schlechtes Gewissen.
»Wer da?«
Er stellte die Lampe auf den Boden.
»Sollten Sie sich wagen, sich zu bewegen, schlage ich Sie«, rief er und stürmte wutentbrannt auf sie los. Garth hatte die Stimme seines Herrn erkannt und wieherte. Den Kopf nach hinten gewandt, antwortete ihm Fanny ebenfalls mit einem Wiehern.
»Nehmen Sie das Zaumzeug herunter.«
»Nein«, gab Alexandra zurück. Am liebsten wollte sie den Sattel fallenlassen, weil er so schwer war, aber sie hielt ihn fest an die Brust gepreßt.
»Sie wollten die Stute meiner Schwester stehlen?«
»Nein, ich wollte sie nur für eine kurze Zeit ausleihen. Ich bin keine Diebin. Selbstverständlich hätte ich sie zurückgebracht.«
»Lassen Sie den verdammten Sattel los, ehe Ihnen noch die Arme abfallen.«
Doch statt dessen legte Alexandra den Sattel auf Fannys Rücken und versuchte, ihn festzugurten. Die Stute riß ihren Kopf herum und schnappte nach
Weitere Kostenlose Bücher