Die Sherbrooke Braut
einmischen. Sie schluckte schwer, dann wandte sie sich an ihre Schwiegermutter.
Mit sanfter Stimme erklärte sie: »Wie Sie wohl wissen, lautet mein Name nicht >junge Dame<, sondern Alexandra. Genauer gesagt, Lady Alexandra. Ich bin die Tochter eines Herzogs. Wenn wir uns in Charlton-House befänden, stünde ich rangmäßig über Ihnen. Selbst wenn ich durch meine Heirat in meinem Stand etwas gesunken bin, rangiere ich dort trotzdem noch über Ihrem. Nun sind Sie aber meine Verwandte und sehr viel älter als ich. Demnach schulde ich Ihnen den gebührenden Respekt. Zwar habe ich nie verstanden, warum das Alter Respekt verlangt, aber so sind die Dinge nun mal. Nun denn, würden Sie mich also bitte Alexandra oder Lady Northcliffe nennen?«
Die alte Countess of Northcliffe war nicht so leicht unterzukriegen. Doch spürte sie sehr wohl den eisernen Willen des Mädchens, das da auf dem Stuhl saß - auf ihrem Stuhl! - und sah sich nun gezwungen, ihre gesellschaftliche Position neu zu bestimmen. Ihr Sohn äußerte kein Wort dazu. Er verteidigte sie nicht einmal, seine eigene, liebe Mama. Die Witwe holte tief Luft, doch Hollis kam ihr zuvor, der seelenruhig bemerkte: »Mylady, die Köchin hat für Sie heute morgen ein Mandelgebäck mit Zimt bereitet. Es schmeckt geradezu köstlich, und sie wartet begierig auf Ihre Meinung. Hier, Mylady, bitte setzen Sie sich auf diesen schönen Stuhl, der so einen reizenden Ausblick auf den östlichen Teil des Rasens bietet. Sehen Sie doch, wie die Pfauen heute morgen herumstolzieren. Ich habe diesen Stuhl immer für den bestplazierten am Tisch gehalten.«
Die Witwe war unschlüssig, wie sie sich verhalten sollte. Sie
konnte doch ihrer heuchlerischen Schwiegertochter nicht kampflos das Feld überlassen! Alexandra klatschte begeistert in die Hände: »Ich würde auch so gerne die Pfauen sehen, Hollis. Haben sie ein Rad geschlagen? Wie wunderbar! Ma’am, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mich heute morgen dort hinsetzte, damit ich die Tiere beobachten kann? Vorhin habe ich schon bemerkt, an welch ausgezeichnetem Platz der Stuhl steht.«
Darauf erwiderte die verwitwete Gräfin mit aufgeregt bebenden Fettwülsten unter ihrem Kinn: »Nein, ich möchte mir diese Vögel heute früh ansehen. Sie sind sehr unterhaltsam. Nun, Hollis, ich warte darauf, daß man mich zu meinem Stuhl geleitet und mir das Nußgebäck reicht.«
Douglas war beeindruckt, zutiefst beeindruckt sogar. Er warf einen Blick auf Alexandra, doch die hielt den Kopf gesenkt. Auch das beeindruckte ihn. Kein Sich-Brüsten, kein Triumphieren über diesen kleinen, wenn auch recht entscheidenden Sieg. Mit Hollis’ Hilfe hatte sie erfolgreich vermieden, das Frühstückszimmer in ein Schlachtfeld zu verwandeln. Nun bemerkte er: »Nach dem Frühstück besuchen Alexandra und ich die Branderleigh Farm, um eine Stute zu kaufen. Sinjun, möchtest du uns begleiten?«
Sinjun, den Mund voller Räucherhering, konnte nur zustimmend nicken. Es war Melissande, die, im Türrahmen stehend, entzückt bemerkte: »Oh, wie wunderbar! Tony, möchtest du mir nicht auch eine Stute kaufen? Ich hätte gerne eine weiße Stute, schneeweiß, mit einer ganz weißen Mähne.«
Sie sah so überaus schön aus, daß Douglas sie für einige Augenblicke reglos ansah. Ihr Morgenkleid war blaßblau und, zugegeben, sehr schlicht, doch mehr war auch nicht nötig. Ein blaues Band war durch ihre dichten schwarzen Locken geflochten. Sie wirkte zierlich, zart und unendlich verführerisch.
»Und dazu vielleicht ein neues Reitkostüm, Mellisande?« fragte Sinjun. »Ganz weiß mit einer giftgrünen Feder am Hut. Oh, das stünde dir hervorragend. Und dann auf einem kostba-ren Sattel mit einem weißen Pferd. Ah, du würdest wie eine Märchenprinzessin aussehen.«
»Weiß macht sie fahl«, bemerkte Tony lakonisch, während er etwas Rührei auf seinem Teller häufelte.
»Fahl! Ich bin niemals fahl! Willst du damit sagen, daß ich irgendwie eine scheußlich gelbe Hautfarbe habe? Also wirklich, das ist ja vollkommen lächerlich. Ich sehe nie, nie fahl aus.«
»Bist du sicher, Mellie? In diesem Fall sagt dir dein Spiegel nicht die Wahrheit. Du solltest beizeiten lernen, deinem Mann zu vertrauen. Ich habe einen sehr feinen Geschmack, mußt du wissen. Übrigens habe ich vor, alle deine kindischen Nachthemden wegzuwerfen. Nichts Weißes mehr. Ich denke da an Blaues und Grünes - alles in Seide und Satin, natürlich - mit den dazupassenden Pantöffelchen. Was hältst du
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