Die Sherbrooke Braut
erwiderte Alexandra. »Er weiß weibliche Schönheit zu schätzen.«
Sinjun warf ihr einen strengen Blick zu. »Jetzt benimmst du dich aber wie eine dumme Gans. Rede doch keinen Unsinn. Glaubst du, wir könnten Juliette meiner lieben Mutter und Tante Mildred überlassen und zur Branderleigh Farm reiten?«
»Das hoffe ich sehr.«
Es ergab sich keinerlei Möglichkeit zur Flucht. Zwei geschlagene, nie enden wollende Stunden lauschte Alexandra den Geschichten über jede einzelne Eroberung Juliettes während der Saison in London. Endlich wandte sie sich an Melissande, die gerade einen Finger Tonys untersuchte. »Wenn ich recht verstehe, müssen Sie nicht mehr an der Saison teilnehmen, Lady Rathmore. Sie haben das Glück, nach vielen vergeblichen Versuchen einen Ehemann gefunden zu haben.«
»Ja, ganz recht«, bestätigte Tony mit gebrochener Stimme.
»Sehen Sie sie an. So ausgemergelt, alt, mit langen, schwarzen Zähnen. Ich hatte große Mühe, sie vom Regal zu angeln. Sie stand ganz verstaubt oben und ganz weit hinten. Es hat alle meine Entschlußkraft gekostet, diesen wagemutigen Schritt zu unternehmen. Sogar jetzt noch versuche ich, sie davon zu überzeugen, einen Kissenüberzug über dem Kopf zu tragen, um die Welt vor ihrem Anblick zu verschonen. Tja, ich habe sie aus Mitleid zur Frau genommen. Ich vermute, daß jeder andere Mann auf dieser Welt auch Mitleid für sie empfindet, denn er braucht nur aus hundert Meter Entfernung einen Blick auf sie zu werfen, und schon wird er zum hoffnungslosen Narren und geht aller seiner fünf Sinne verlustig.«
Zu Alexandras Überraschung sah sie Melissande in Tonys Finger beißen und dann sanft ihre Wange an seiner Handfläche reiben. Alex’ Blick schweifte zu Douglas, der, am Kaminsims mit gekreuzten Armen stehend, das vollkommene Bild eines höflichen Edelmannes abgab. Seine Augen wanderten von Juliette über Melissande zu Alexandra. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Jedenfalls konnte sie nichts darin lesen. Just in diesem Augenblick verglichen zu werden, war einfach unerträglich. Höchste Zeit, etwas zu unternehmen und nicht wie ein Holzklotz zu verharren.
Lächelnd erhob sie sich und streckte Juliette die Hand hin. »Verzeihen Sie, wenn ich nach dem Abendessen sehen muß. Falls Sie irgend etwas brauchen, zögern Sie nicht zu fragen. Willkommen auf Northcliffe.«
Sie verließ den Raum, wohlwissend, daß das Gesicht ihrer Schwiegermutter ziegelrot vor Ärger angelaufen war. Sie hatte natürlich gelogen; sie hatte nicht im geringsten die Absicht, Mrs. Peachham aufzusuchen. Es war ihr sonnenklar, daß das von der Köchin zubereitete Abendessen sogar einen knochigen Asketen zur Völlerei verleiten würde.
Sie ging zu den Gärten, wo die zahlreichen griechischen Statuen aufgestellt waren. Der Boden war in einem miserablen Zustand. Sie würde mit Douglas darüber sprechen müssen. Seine Genehmigung war vonnöten, um den Gärtnern auf Northcliffe Beine zu machen, diesen faulen Kerlen. Es gab da einen besonders schönen Rosenstrauch, der total von Unkraut überwuchert war. Alexandra zögerte nicht. Ihr Kleid war ohnehin alt und laut Douglas recht unansehnlich. Sie kniete sich hin und begann das Unkraut auszurupfen. Bald trällerte sie vor sich hin, und nach kurzer Zeit fühlte sie sich ruhig und ausgeglichen. Juliette und sogar ihre Schwiegermutter hatte sie vergessen.
Es begann leicht zu nieseln. Die Erde weichte noch mehr auf, und Alexandra jätete und rupfte und klopfte liebevoll die Erde platt. Sie bemerkte nicht mal den Wassertropfen, der ihr von der Nasenspitze fiel.
Schließlich stand der Rosenstrauch vom Unkraut befreit. Er schien jetzt wie von innen heraus zu glühen. Die Blüten hatten nun ein kräftigeres Rot angenommen, sie wirkten größer, die Blätter grüner und üppiger.
Zufrieden setzte sie sich in die Hocke.
»Mein Gott.«
Immer noch lächelnd, wandte sie sich um und sah Douglas, der mit zusammengekniffenen Augen über ihr stand, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Hallo. Ist er nicht wunderschön? Jetzt sieht er viel fröhlicher und gesünder aus.«
Douglas warf einen uninteressierten Blick auf den Rosenstrauch. Aber zumindest stimmte es, was seine Frau da sagte. Doch lenkte er seinen Blick auf die erdbeschmutzte Alexandra, deren Haare in langen, tropfenden Grüppchen am Kopf baumelten. Er verschwendete keinen Gedanken mehr an den Rosenstrauch. »Komm schon, es wird Zeit, daß du dich fürs Abendessen umziehst.«
»Wie hast du mich
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