Die Shopping-Prinzessinnen
Evie strahlte von innen heraus, wie ich es noch nie erlebt hatte.
Und moi? Ich hatte beschlossen, mal eine ganz andere zu sein, und schwankte lange zwischen drei Möglichkeiten: sophisticated, sexy oder süß. Am Ende entschied ich mich für süß, weil ja Evie als Starlet auftreten wollte. Unter einem federleichten Babydoll von Marchesa aus blassrosa Chiffon zeigte ich sehr viel Bein und (dank Faux Glow) schimmernde Haut. Das gab mir genügend Selbstvertrauen, um nur mit der besten Freundin in meiner Begleitung das Restaurant zu betreten.
Wir schwebten durch den von Kerzen erleuchteten Raum, der mit seinen roten Wänden und Plüschmöbeln ein bisschen aussah wie ein Bordell. Ich fuhr sofort mein Radar aus, um festzustellen, ob Dax schon da war.
In einer Ecke war eine Musikanlage mit einem DJ, wo französischer Hip-Hop gespielt wurde, während sich die wenigen A-Listen-Mitglieder der Pariser Partygesellschaft, die noch in der Stadt waren, angestrengt unterhielten, Häppchen knabberten und Markenchampagner aus Sektkelchen schlürften. Versammelt hatten sie sich vor einer überlebensgroßen Skulptur der drei großen Modekönige: Lacroix, Lagerfeld und Lamour. Da das Kunstwerk aus Eis bestand, herrschte eine leicht frostige Atmosphäre.
Trotz meiner Beklemmungen wegen unserer Pläne für morgen schnappte ich mir ein Hors d’œuvre vom Tablett eines Kellners, der gerade vorbeieilte. Ich hoffte bloß, dass alles gut gehen würde.
Doch das war nicht das Einzige. Die Sache mit
den gefälschten Taschen lag mir schwer im Magen. Andererseits wollten wir sie uns ja bloß ausleihen. Irgendwie war ich verwirrt.
Wahrscheinlich war es verrückt von mir anzunehmen, dass Leslie etwas mit kriminellen Fälschern zu tun hatte. Das konnte eigentlich gar nicht sein. Aber wenn es nun doch so war? Mussten wir dann nicht die Polizei rufen? Andererseits war morgen das Shooting, und da konnten wir die Taschen so gut gebrauchen …
Als wir uns auf der Suche nach Mercie einen Weg durch die kleinen Gruppen und Grüppchen der Gäste bahnten, wurde ich auf eine blasse kleine Person aufmerksam, die an mir vorbeihuschte. Sie blies mir eine dicke Wolke Zigarettenrauch ins Gesicht – die französische Variante der Luftverschmutzung. Sie war mehr als ein bisschen magersüchtig und trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: MAKE LOVE, NOT FASHION (oje!). Darunter eine Hose aus dem Winterschlussverkauf von H&M. Sie musterte mich von Kopf bis Fuß, drückte dann ihre Zigarette in einem Aschenbecher am Nachbartisch aus und kreischte: »He, wo hast du die Schuhe her? Ich habe schon seit Wochen nach solchen gesucht! Die sind ja ääändsgeil!«
Ein klarer Fall von Schuh-gasmus! Ich machte mir eine mentale Notiz: Gleich morgen Abend Schuhe stiften für die französische Wohlfahrt! Und rannte eilig davon, um etwas weniger penetrante Gesellschaft zu finden.
Nachdem wir die Schuhsüchtige mit Erfolg abgehängt hatten, sagte Evie: »Ich finde es hier so romantisch! Hier könnte man wunderbar rumknutschen.«
»Nicht, dass du auf so etwas scharf wärst!«, bemerkte ich, denn sie interessierte sich ja normalerweise nur für Nadel und Faden.
»Was soll denn das heißen?«, fauchte sie. »Nur zu deiner Information: Ich habe einen sehr netten Verehrer. Sein Name ist Gerard, wenn ich dich daran erinnern darf.«
Noch ehe sie das weiter ausführen konnte, blieb mir plötzlich das Herz stehen: Karl Lagerfeld war gerade hereingekommen, umgeben von einem Gefolge, zu dem auch ein Butler gehörte, der eine Zweiliterflasche Pepsi light hinter ihm her trug. Sie wurden sogleich zu einem der reservierten Tische geführt.
Ich fasste Evie am Arm. »He, schau mal!«, rief ich. »Karl Lagerfeld ist gerade gekommen.«
»Glaubst du an Geister?«, fragte sie kichernd. »Das ist doch nicht der echte!«
»Was meinst du, nicht echt ?«, fragte ich.
»Das ist sein Double, oder – wenn man gehässig sein will: eine Fälschung«, sagte sie ungerührt.
War das womöglich der neue Trend in Paris? Prominenten-Kopien? Sollte ich vielleicht darüber einen Bericht schreiben?
Als ich genug von dem falschen Lagerfeld gesehen hatte, entdeckte ich Gerard, der am Eingang stand und nach Evie Ausschau zu halten schien. Er war ein
bisschen schmächtig, aber seine dicke rechteckige Brille gab ihm eine künstlerische Ausstrahlung. Dax stand direkt neben ihm und sah mal wieder zum Anbeißen aus. Er trug einen lässig sitzenden schwarzen Anzug, eine Krawatte und als kleine Überraschung ein paar
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