Die Shopping-Prinzessinnen
Ahnung«, sagte ich unschuldig. Ich wollte auf jeden Fall verhindern, dass Dax in diese Sache verwickelt wurde. Was immer es sein mochte. Moment mal! Was redete ich mir da eigentlich
ein? Es gab überhaupt keine Fälscher, und Leslie war auch kein Krimineller. Ich war bloß total gestresst, mehr nicht. Imogene, reiß dich zusammen! Wenn Leslie über die Taschen Bescheid gewusst hätte, hätte er ja jederzeit etwas tun können. Ich meine, er wohnte ja schließlich da. Außerdem hätte Tante Tamara nie im Leben einen Verbrecher beschäftigt. Jedenfalls keinen gewöhnlichen. Sie ist mehr der Typ für geheimnisvolle internationale Gentleman-Gangster, die Juwelen im großen Stil klauen.
Der schwarze Citroën folgte uns noch immer. Ich beugte den Kopf vor, um Dax im Spiegel sehen zu können. Sein Körper war angespannt, und in seinen Augen war ein gefährliches Glitzern. Und plötzlich raste er mit Vollgas auf den Straßenmarkt an der Bastille zu.
»Dax, bitte sei vorsichtig!«, stöhnte ich. Aber zum Glück gibt es ja eine inoffizielle Pariser Verkehrsregel: Du sollst kein Motorrad und keinen Motorroller umstoßen, denn es könnte deine Schwester, dein Chef oder dein Zuckerbäcker daraufsitzen.
Wie eine Rakete schossen wir durch den Verkehr. Kurz bevor wir in die Verkaufsstände krachten, riss Dax die Maschine herum, und wir umkreisten erneut die Place de la Concorde, ehe wir nach rechts in die Champs-Élysées einbogen.
»He, das Hausboot liegt in der anderen Richtung!«, schrie ich. Dax kurvte halsbrecherisch durch den dichten Verkehr, doch der Citroën ließ sich nicht abhängen, sondern blieb immer genau zwei Wagen
hinter uns. Erst als Dax den Lenker überraschend nach rechts zog und dabei die Spur wechselte, entkamen wir in die Avenue Matignon.
M ick, Malcolm und ich saßen in stiller Andacht dabei, als Spring ihre rot lackierte Zigarettenspitze zwischen die Lippen schob, ihr antikes Cartier-Feuerzeug schnipsen ließ und tief inhalierte. Sie trug einen dunkelgrünen Baumwollturban, der perfekt zu ihrer sehr großen, sehr dunkelgrünen Sonnenbrille, ihrem klassischen Morgenmantel und den Plateausandalen passte. Offenbar war sie heute Morgen eine Wiedergeburt der Leinwandlegende Paulette Goddard. Die Vierzigerjahre kamen wieder zurück, und sie wollte ihren Klienten offenbar zeigen, dass sie den Trend als Erste erfasst hatte.
Sie beugte sich vor und klappte den kleinen Kosmetikkühlschrank unter ihrem Louis-XIV-Schreibtisch auf. Mit höchster Konzentration tauchte sie ihren mit einem SUV-großen burmesischen Diamanten geschmückten Mittelfinger in ein Döschen mit C.O. Bigelow-Rose-Salve-Lipgloss und schmierte sich die Salbe auf ihre berühmten Schmolllippen.
» Chez Hautelaw sieht bald wie ein kleines Versailles aus!«, schnurrte sie und entließ eine riesige Tabakrauchwolke zweiter Hand in den Raum. Ich nehme
an, das war ihre Methode, das neue Büro einzuweihen.
»Lasst euch umarmen!«, jubelte sie ganz spontan und breitete die Arme aus wie eine Glucke, um mich und die Jungs abzuküssen.
Keiner rührte sich. Außer Springs überfütterten Möpsen, die vermutlich ein für das menschliche Ohr unhörbares Stimmsignal aufgefangen hatten und brav auf sie zutrotteten. (Als Frau von Welt sprach Spring mehrere Sprachen, und dazu gehörte auch Hund.) Springs Möpse begleiteten sie überallhin, und da sie ständig rauchte wie eine Lokomotive, war das niedliche Bellen der armen Geschöpfe inzwischen zu einem asthmatischen Keuchen geworden. Aber selbst die Tatsache, dass ihre Möpse immer nur schwarze Trauer-Halsbänder trugen, schien Spring ganz egal zu sein.
Mick und Malcolm wanden sich in stummer Verzweiflung. Nicht dass sie Spring nicht gemocht hätten, aber grundsätzlich löste jede weibliche Liebesbekundung, besonders wenn sie so direkt war und vor allem wenn sie von Spring kam, heftige Fluchtreflexe bei ihnen aus. Außerdem konnte Mick es nicht leiden, wenn seine perfekt gebügelten Kleider zerdrückt wurden. Er steckte in einem seiner typischen hochmodischen Businessanzüge – schwarz mit lila Nadelstreifen und lila Hemd. So eine Savile-Rowmeets-Sixties-Rocker-Brian-Jones -Nummer. Malcolm dagegen trug sein übliches Village-People-Ensemble – Motorradstiefel, eine schwarze Lederhose (obwohl es
draußen fast dreißig Grad waren) und ein schwarzes T-Shirt mit der grellblauen Aufschrift »STUD MUFFIN«.
»Imooogeeeene, Schätzchen! Lass dich mal anschauen!« Spring ließ ihre Sonnenbrille auf die
Weitere Kostenlose Bücher