Die Shopping-Prinzessinnen
Wahrscheinlich bloß: Du bist gefeuert!
Ich ermahnte mich vergeblich zur Mäßigung, während ich mir quasi willenlos ein pastellfarbenes Macaron aus einer der zahllosen grün-goldenen Ladurée-Schachteln in den Mund stopfte. Natürlich hatte ich es wieder mal nicht geschafft, auch nur eine einzige Schachtel ungeöffnet zu lassen! Es war ein riesiges Sortiment, und ich hatte sie unwillkürlich wie ein typischer Fashion-Forecaster geordnet: nach Farben! Die rosa Schachteln gefielen mir natürlich am besten, aber die schwarzen waren auch sehr dramatisch, selbst wenn mir der Inhalt eigentlich zu lakritzig war.
Wieder klingelte es an der Tür. Rasch verschloss ich die Schachtel mit den Macarons und stellte sie wieder hübsch ordentlich
auf die Marmorkonsole im Flur. Ich hörte Leslie zur Tür trotten. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle ein Wort über die fehlenden Handtaschen aus dem Pacojet-Karton fallen lassen. Ihr fragt euch wahrscheinlich schon, ob Leslie etwas bemerkt hatte. Nun, ich kann nur sagen, dass er zwar knurriger als sonst war, weil wir ständig von irgendwelchen Besuchern heimgesucht wurden, sich sonst aber nichts weiter anmerken ließ. Evie und ich waren uns beinahe sicher, dass er das Paket ganz vergessen hatte.
Ich schnappte mir meine Sachen, nahm Toy auf den Arm, schlüpfte in meine Schuhe und machte die Tür auf, wo ich fast mit einem weiteren Boten kollidiert wäre. Dann stürmte ich die Treppe hinunter, nicht ahnend, dass ich direkt in den nächsten Hinterhalt rannte.
Als ich die Haustür aufmachte, stürzte sich eine Rotte gieriger Fotografen und Fashionistas auf mich, die wild durcheinanderschrien.
»Da ist sie!
»Das ist das Mädchen!«
»IMOGENE! Hierherschauen!«
Ich setzte ein starres Lächeln auf, wiederholte ständig: »Kein Kommentar!«, und zwängte mich durch die Meute wie ein knallharter Medienveteran.
»Imogene! Chérie! Komm zu mir, Liebling!« Eine mondäne Nerzträgerin drängte sich zu mir heran. »Hast du mein kleines Geschenk erhalten? Mein Chauffeur hat es gestern vorbeigebracht.«
Noch ehe ich antworten konnte, erschien eine Hand in der Menge und streckte mir einen großen Strauß rosa Päonien entgegen. Und dann traf mich ausnahmsweise kein Mikrofon, sondern ein Lippenpaar!
Dax küsste mich – wie der Blitz. Es war gewaltig! Ein leidenschaftlicher, unendlich französischer Kuss.
So ein erster Kuss ist immer etwas Besonderes. Er ist genauso schwer vorhersagbar wie das Wetter. Mein Herz reagierte genau, wie es sollte: Es stoppte. Und ich spürte ein tiefes Dior-003-Laufsteg-Pink aus meinem Ausschnitt aufsteigen.
Dax ergriff meine Hand, und ich schnappte mir Toy, und dann rannten wir zu seinem Motorrad – einem schweren blutroten BMW-Roadster. (Paris-Tipp Nr. 22: Wenn man mit dem Motorrad fährt, sollte man einen ortskundigen Chauffeur wählen.) Ehe wir aufstiegen, küsste er mich noch einmal. Diesmal noch tiefer.
Ich sortierte noch immer meine Gefühle, als etwas sehr Eigenartiges passierte: Die Menge, die uns hinterhergerannt war, teilte sich plötzlich, und ich sah wieder den schwarzen Citroën, der am Straßenrand lauerte. Es war echt wie im Film.
In diesem Augenblick ließ Dax den Motor an, und wir brausten davon. Die schwarze Limousine fuhr ebenfalls an und folgte uns ins Verkehrsgewühl.
Als wir über die Pont de la Concorde fuhren,
drehte ich mich vorsichtig um. Der Citroën war nach wie vor hinter uns.
»Wir werden verfolgt«, brüllte ich.
Dax warf einen Blick in den Rückspiegel und lächelte. »Natürlich werden wir verfolgt. Du bist das populärste Mädchen in ganz Paris.«
»Wenn das Paparazzi wären, würden sie dann nicht neben uns herfahren und Fotos von uns schießen?«
Nach einer kurzen Pause sagte Dax: »Das werden wir gleich wissen!«
Er schwenkte auf die rechte Spur und fuhr so langsam, dass der Citroën uns überholen musste. Dabei warf ich einen Blick auf den Fahrer. Oh mein Gott! Das war ja Leslies Freund Jimmy, der Typ aus der Lagerhalle! Mein Herz raste, und meine Gedanken flogen zurück zu der Lagerhalle. Der Karton, den Leslie dort abgeholt hatte. Die Handtaschen! Leslie war der Anführer einer Bande von Fälschern! Ich meine, ein Mann mit solchen Haaren war sicher zu allem fähig. Dann fiel mir noch etwas ein: Oh mein Gott! Ich war den ganzen Morgen allein mit ihm in der Wohnung gewesen!
»Was meinst du denn, was sie wollen?«, fragte Dax, während er sich wieder in den Verkehrsfluss einfädelte.
»Ich habe keine
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