Die Shopping-Prinzessinnen
die beiden befreundet waren. »Und vom Seiteneingang des Ritz in der Rue Cambon, seht ihr: C’est là!« - sie zeigte mit dem Finger zum Fenster hinaus – »führt ein Geheimgang zu Chanel hinüber. Und eines Nachts, als es ganz still war, haben mich die beiden mal mitgenommen …«
Aha, sie hatte also auch ein Talent zur Geheimagentin!
»Ich wollte bloß mal einen Blick hineinwerfen«, erzählte sie weiter. »Und dann war ich tatsächlich in den geheiligten Räumen und atmete dieselbe Luft wie Monsieur Lagerfeld. Ach, es war wunderbar! Ich war so begeistert. Und plötzlich platzte er durch eine Tür und stand vor mir wie aus dem Nichts. Natürlich bin ich vor Schreck erstarrt.« Sie machte es vor. »Ich konnte mich buchstäblich nicht mehr bewegen und brachte kein Wort heraus. Er hatte seinen Butler dabei – er ist nie allein. Sie wollten gerade nach Hause fahren. Und noch ehe ich etwas sagen konnte, fragte er mich, ob ich ein Autogramm wollte. Aber ich hatte kein Papier bei mir, und da hat er seinem Butler den Stift aus der Hand genommen und mich signiert! Voilà!« Sie zeigte auf die gerahmten Jeans. »Unglaublich, n’est pas? «
»Absolut incroyable !«, bestätigte ich.
»Oui«, sagte sie stolz. »Und jetzt zu unseren Plänen: Bitte sag Spring, dass ich sehr glücklich bin, für sie und Monsieur X zu arbeiten, und dass ich besser arbeiten werde als jede andere PR-Agentur in Paris. Ich habe die Pressemeldung schon vorbereitet. Na, wie klingt das? ›Im Auftrag von Monsieur X hat Spring Sommer die bekannte PR-Dienstleisterin Mercie de Châtelaine von der Firma Raison d’Etre damit beauftragt, bei der Vorstellung der Debüt-Kollektion von Monsieur X die Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen …‹«
In den wenigen Stunden, seit Spring sie angeheuert hatte, war Mercie schon nahezu unersetzlich geworden. Doch wie jede gute PR-Frau spürte sie unser Zögern.
»Ah, je comprends, mes amies«, erklärte sie und führte uns in die Sitzecke, deren Tisch einen halben Meter hoch mit Zeitungsausschnitten und Katalogen bedeckt war. »Ihr wollt die Identität eures Monsieur X nicht so ohne Weiteres nennen. Schließlich ist er ja eure Entdeckung. Aber macht euch deshalb keine Sorgen, ich bin nur dazu da, um euch zu helfen.« Sie legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Also, die Frage bleibt: Wann kann ich ihn treffen? Ich muss schließlich eine Modenschau vorbereiten. Und außerdem kommt Spring übermorgen.«
Mercie war offensichtlich einer jener Menschen, die rücksichtslos auf ihr Ziel losmarschieren, ganz egal, was für Hindernisse man ihr in den Weg legte. Obwohl ich ihr schon mehrfach gesagt hatte, Monsieur würde nicht wollen, dass irgendjemand wusste, wer er war, würde sie immer weiter darauf bestehen, ihn kennenzulernen. Andererseits war mir natürlich klar, dass Evie und ich genau dieses Talent von Mercie brauchten in dieser Situation. Ich warf Evie einen fragenden Blick zu.
Sie zwinkerte, und so beschloss ich, dass es nur eine Lösung gab: Wir mussten Mercie zu unserer Komplizin machen. Also packten wir aus und legten ein volles Geständnis ab. Wir erzählten ihr von dem
versteckten Atelier und von dem erfundenen Namen, einfach alles. Das Einzige, was ich nicht erwähnte, war der schwarze Citroën, der mir seit dem Medienzirkus in der Avenue Montaigne Tag und Nacht durch die Stadt folgte. Von dem hatte ich vorsichtshalber niemandem etwas erzählt. Vielleicht, versuchte ich mir einzureden, sind es ja nur meine überreizten Nerven, Fashion-Groupies oder Reporter.
»Magnifique!« Vergnügt klatschte Mercie in die Hände. »Das ist absolut großartig!«
Dann tauchte die Frage auf, wo die unvermeidliche Modenschau stattfinden sollte.
»Warum nicht bei HLP?«, schlug Evie voller Begeisterung vor.
» Help , was ist Help ?«, fragte Mercie.
» Hautelaw Paris«, erläuterte Evie. »Die haben ein Büro auf einem Hausboot in der Seine.«
»Ein Hausboot? Perfekt!«
»Wir machen eine ganz kurze Gästeliste und sagen, es sei nur für die engsten Freunde von Monsieur X. Das allein wird genügen, um ganz Paris wild zu machen.«
Sie holte sich ihren BlackBerry vom Schreibtisch und fing an, in die Tasten zu hauen. »Monsieur X wird Paris in den Wahnsinn treiben!«
»Warte mal!«, rief ich. »Vergisst du da nicht eine Kleinigkeit?! Ich meine, wer ist Monsieur X eigentlich? Es tut mir ja schrecklich leid, aber wir wissen noch immer nicht, wer diese Kleider gemacht hat.«
Evie und Mercie hielten inne
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