Die sieben Dämonen: Roman
Kinderschuhen. Neville Ramsgate war durch Zufall auf das Grab gestoßen, dann war er gestorben, bevor er es öffnen konnte, und das Geheimnis um seine Fundstelle, ja überhaupt die Kenntnis von dessen Existenz, sind mit ihm dahingegangen.« Mark trat vom Kaminsims weg und ließ sich aufs Sofa fallen. »Dieses Grab existiert noch immer irgendwo im Gebiet von Tell el-Amarna, und es ist womöglich nach wie vor unberührt.«
Ron schaute Mark eine Weile nachdenklich an und meinte schließlich: »Glaubst du, man könnte es wiederfinden?«
»Allmächtiger, Ron«, flüsterte Mark. »Das Grab von Echnaton! Der berühmteste und berüchtigtste der ägyptischen Pharaonen. Sein Grab wäre eine aufsehenerregendere Entdeckung als das Grabmal von Tutanchamun. Und für den Mann, der es findet, bedeutet das …«
»… grenzenlosen Ruhm und Reichtum. Er wäre ein Held, berühmter als Howard Carter. Falls …« Ron steckte seine Hände in die Hosentaschen, durchquerte mit vier gemächlichen Schritten das Wohnzimmer und sank neben Mark auf das Sofa. »… falls es wiedergefunden werden kann.«
Mark musterte seinen Freund mit banger Miene. »Ramsgate hat es aber doch gefunden, oder?«
»Gewiß, doch dem Tagebuch zufolge hatte er die Entdeckung größtenteils glücklichen Umständen zu verdanken, zum Beispiel dieser alten Frau, die ihm das erste Steinfragment gab.«
»Aber Ron«, erwiderte Mark schnell, »alles, was wir tun müssen, ist, Ramsgates Schritte nachzuvollziehen.«
»Ich weiß nicht recht, Mark, es gibt in der Beschreibung so viele Lücken. Ramsgate schrieb dieses Tagebuch nicht für irgend jemanden, der einhundert Jahre nach ihm kommen würde. Es handelt sich vielmehr um die Niederschrift ganz persönlicher Erinnerungen. Er wußte, worüber er sprach, deshalb bestand für ihn keine Notwendigkeit, den Bericht durch Einzelheiten zu ergänzen, wie zum Beispiel Angaben über die genaue Lage des Grabes.«
»Aber er gibt uns doch genug Anhaltspunkte dafür. Immerhin wissen wir, daß es in Tell el-Amarna ist.«
»Und das wäre schon in etwa alles, was wir wissen. Verdammt noch mal, Mark, du sprichst von sechzig Quadratkilometern Wüste, die aus Sand, Tälern und Schluchten bestehen! Die Hinweise, die er gibt, sind doch nur knappe Angaben. Und auf diese ist er selbst lediglich durch Zufall gestoßen. Hör dir nur das an.« Ron nahm das Tagebuch hoch und durchblätterte vorsichtig die brüchigen Seiten. »Hier.« Er breitete es auf seinem Schoß aus und las weiter:
1. Juli 1881: Kurz nach Sonnenuntergang kam eine alte Frau in unser Lager, die einen Esel mit sich führte. Sie erzählte Mohammed, daß sie die Ruinen nach sebbach , alten Nilschlammziegeln, welche die Einheimischen als Dünger für ihre Felder benutzen, durchstöbert habe, als sie plötzlich auf etwas gestoßen sei, für das sich die ›Fremden aus dem Norden‹ gewiß interessieren würden. Mohammed wollte sie eben schon wegjagen, als ich dazukam und mich daran erinnerte, daß viele der heute im neuen Britischen Museum beherbergten kostbaren Fundstücke auf ebensolche Weise in europäische Hände gelangt waren. So sagte ich ihr, daß ich mir gerne ansehen wolle, was sie gefunden hatte.
Man stelle sich meine Überraschung vor, als diese knorrigen alten Hände aus dem Sack auf dem Eselsrücken das vollständig erhaltene Oberteil einer Stele hervorzogen, wie man sie in dieser Gegend in die Felsen gemeißelt findet. Aber leider war es nicht der ganze Stein, und ich schloß aus dem Verlauf der Bruchstelle, daß die Stele in drei Teile zerbrochen war. Während ich Gleichgültigkeit vortäuschte, um die alte Frau nicht auf den Gedanken zu bringen, einen unverschämten Preis dafür zu fordern, erkundigte ich mich danach, wo sie den Stein gefunden habe.
Mohammed dolmetschte für mich, da mir der Dialekt dieser Region nicht geläufig ist. Das Fragment hatte unweit der Mündung des großen Wadis im Sand der Ebene verborgen gelegen.
Ich fragte die Alte, wo sich die anderen Bruchstücke befänden, denn ich hegte den Verdacht, daß sie die alte arabische List anwenden wollte, die darin besteht, ein altes Fundstück auseinanderzubrechen, um es in mehreren Teilen für einen höheren Preis zu verkaufen. Wie überrascht war ich indessen, als sie angab, es nicht zu wissen.
Unser Gespräch brach an dieser Stelle ab, denn die Ziegelsammlerin schien es mit der Angst zu bekommen und schickte sich an, ihren Esel wegzuführen. Ich wies Mohammed an, ihr für dieses Fragment ein
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