Die sieben Dämonen: Roman
Hände aus. »Vermutlich haben wir hier alle Fakten, die wir brauchen. Doch sie reichen offensichtlich doch nicht aus, da Dr. Farmer und ich beim besten Willen keinen Sinn in dem rätselhaften Hieroglyphentext erkennen können. Sehen Sie, Mr. Halstead, Amun-Ra ist die Sonne, und stromabwärts bedeutet nach Norden.
Die Inschrift besagt, daß, wenn die Sonne nach Norden wandert …«
»Dann kann da etwas nicht stimmen.«
»Das sollte man annehmen, nur erwähnt Ramsgate nichts von einem Fehler in seinem Tagebuch. Diese krasse Unstimmigkeit hätte ihm ja auch auffallen müssen. Aber er war sich seiner korrekten Übersetzung wohl sicher. Und als er den Hund endlich durch Zufall findet, schreibt er, daß alles genau dem Hieroglyphentext entspricht.«
Sanford Halstead dachte einen Moment nach, dann fragte er: »Dr. Davison, glauben Sie, daß es sich um Echnatons Grab handelt?«
»Ramsgate fand keine Namen am Eingang zum Grab, aber die Stele verweist auf ›den Verbrecher‹. Dies war der Name, den die Amun-Priester Echnaton nach dessen Tod gaben. Daraus können Sie ersehen, wie stark die Ägypter an die magische Kraft des Namens glaubten. Wenn sie einen Menschen bei seinem Namen nannten, wurde ihm dadurch Stärke und Macht verliehen. Wenn sie ihn aber seines Namens beraubten, nahmen sie ihm seine Identität und damit seinen Einfluß. Deshalb mußten alle Mumien und alle Gräber mit Namensinschriften versehen werden, andernfalls wäre es nach der Vorstellung der alten Ägypter dem Geist des Toten nicht möglich, seine Identität zu erkennen, und ohne Identität konnte er kein Leben nach dem Tod führen. Weil Echnaton versucht hatte, die vielen alten Götter zu beseitigen, und sein Volk zwingen wollte, nur einem Gott, nämlich Aton, zu huldigen, rächten sich die Amun-Priester, indem sie seinen Namen nach seinem Tod für verboten erklärten und seinen Geist dadurch seiner Identität beraubten. Ja, Mr. Halstead, ich glaube, daß Ramsgate Echnatons Grab gefunden hat.«
»Warum wurde er nicht in dem sogenannten Königlichen Grab beigesetzt, das 1936 in einem der Täler ausgegraben wurde?«
»Weil niemand in irgendeinem der Gräber in Tell el-Amarna beerdigt wurde«, erklärte Mark und griff nach seiner Pfeife. Er füllte den Pfeifenkopf, drückte den Tabak fest und fuhr dann fort: »Nachdem Echnaton gestorben war, verließen die Bewohner Echnatons neugebaute Hauptstadt, die damals Achet-Aton genannt wurde und heute auf arabisch Tell el-Amarna heißt. Familien, die ihre Toten in den Gräbern bestattet hatten, brachten sie weg und gaben ihnen in der alten Hauptstadt Theben eine neue Ruhestätte. Achet-Aton wurde von den
Priestern zu einem verfluchten Ort erklärt, so daß niemand seine Toten dort zurücklassen wollte. Sogar Echnatons Mutter und seine älteste Tochter wurden aus ihren Gräbern in Amarna entfernt und in Theben neu beigesetzt. Sein Vater, seine beiden Brüder, seine Schwester und weitere Töchter fanden ebenfalls in Theben ihre letzte Ruhestätte. Sicherlich wissen Sie, daß sein Schwiegersohn und Nachfolger der berühmte jugendliche Pharao Tutanchamun war.«
»Warum wurde Echnaton dann nicht mit der übrigen Familie in Theben bestattet?«
»Ich könnte mir vorstellen, daß die Amun-Priester ihren heiligen Boden nicht durch seinen Leichnam entweihen lassen wollten. Sie müssen bedenken, daß Echnaton in ihren Augen ein Ketzer war. Als er um dreizehnhundertfünfzig vor unserer Zeitrechnung, damals noch als Amenophis der Vierte, den Thron bestieg, hatte Ägypten eine zweitausendjährige Blütezeit hinter sich, und während dieser ganzen Zeit hatten seine Bewohner Hunderte von Göttern verehrt. Als der junge Amenophis an die Macht kam und seinen Namen in Echnaton änderte, beschloß er, der Vielgötterei ein Ende zu bereiten, und zwang sein Volk, nur einer Gottheit zu huldigen, nämlich Aton. Die Priester der anderen Götter tauchten während Echnatons Herrschaft unter, weil er ihre Tempel schloß, und sannen im Verborgenen auf Rache. Nachdem er dann in seiner heiligen Stadt Achet-Aton, also nahe dem heutigen Tell el-Amarna, gestorben war, traten die alten Priester wieder an die Öffentlichkeit, erklärten seinen Gott für falsch und stellten es unter Strafe, seinen Namen auszusprechen. Fortan hieß er nur noch ›der Verbrecher von Achet-Aton‹. Deshalb hätten es die Priester nicht gern gesehen, wenn sein Leichnam in der heiligen Erde des Tals der Könige begraben worden wäre, denn sie fürchteten, von
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