Die sieben Dämonen: Roman
Weile durch das Fernglas, wobei ihr rotes Haar in der Wüstensonne wie ein Feuerkranz leuchtete. Mark wunderte sich, was sie wohl so lange anstarrte, und wurde allmählich ungeduldig. Er bemerkte nicht, daß Alexis Halsteads Atemrhythmus sich verändert hatte.
Sie setzte das Fernglas ab und richtete ihren kalten, undurchdringlichen Blick auf ihn. »Das Grab des Mahu«, stieß sie atemlos hervor, »werden wir dafür Zeit haben?«
Er runzelte die Stirn. »Wenn Sie wollen. Warum ausgerechnet das Grab des Mahu?«
Sie gab ihm das Fernglas zurück. »Wegen der Wanddarstellungen, Dr. Davison. Ich will die … Wandgemälde sehen …«
Außerstande, seine Augen von ihr zu wenden, kam es Mark plötzlich mit aller Deutlichkeit zum Bewußtsein, wie dicht sie bei ihm stand, und der süße Gardenienduft ihres Parfums machte ihn ganz benommen.
Er suchte nach einer Antwort, als er hinter sich ein metallisches Klicken vernahm. Mark fuhr herum und gewahrte Ron, der ihm zuwinkte.
»Ein großartiger Schnappschuß!« Nicht allzuweit von Ron entfernt, gegen eine mächtige, ausladende Palme gelehnt, standen Jasmina und Hasim, die sich leise unterhielten.
»Ist das der ehemalige Nordpalast?« erkundigte sich Alexis, wobei sie mit einer schlaffen Geste über die Erdwälle und Gräben deutete.
»So nennen es die Ägyptologen.«
Sie hielt ihren Blick starr geradeaus gerichtet; ihre Stimme klang merkwürdig. »Was wollen Sie damit sagen?«
Mark trat von ihr weg und bahnte sich einen Weg durch den Schutt und die zerbrochenen Lehmziegel, welche die Umrisse von dem bildeten, was einst das Fundament des Palastes gewesen war. »Niemand kann mit Gewißheit sagen, wofür diese Gebäude einst dienten. Man kann darüber nur mutmaßen.« Er ging an einer zerfallenen Mauer in die Hocke und fuhr mit der Hand über das brüchige Gestein. Weiße Ameisen waren schon vor langer Zeit in die Nilschlammziegel eingedrungen und hatten auch das letzte bißchen Stroh herausgefressen. Dann hatten sich die stacheligen Wurzeln des Halfa-Grases hindurchgebohrt. Man konnte sogar Wurzeln von Palmen sehen, die sich durch den Schuttboden des Palastes einen Weg nach oben sprengten.
»Tell el-Amarna ist einzigartig in der Archäologie, Mrs. Halstead. Es ist nämlich nicht wirklich ein ›Tell‹. Ein Tell ist ein antiker Hügel, der sich aus verschiedenen Schichten zusammensetzt. Jede Schicht zeugt von einer bestimmten Zeit der Besiedlung an dem betreffenden Ort. Wenn eine Stadt aus irgendeinem Grund, etwa durch Feuer, Seuchen oder Krieg, untergegangen war, dann baute man oft auf ihren Ruinen
eine neue auf. Troja ist ein gutes Beispiel dafür. Die verschiedenen Ausgrabungsschichten geben Aufschluß über die aufeinanderfolgenden Besiedlungszeiträume, wobei die unterste Schicht die früheste Periode darstellt. Aber Achet-Aton wurde in weniger als zwei Jahrzehnten errichtet, bewohnt und wieder aufgegeben. Seine Bewohner verließen es und kehrten nie wieder zurück.« Mark stand auf und klopfte sich die Hände an seinen Jeans ab.
Ihre Stimme klang mittlerweile beinahe geistesabwesend und ein wenig traurig. »Dann sollte mehr von der Stadt übrig sein, als es nun tatsächlich der Fall ist …«
Mark schüttelte den Kopf und starrte auf den Schutt, der einst vielleicht ein prächtiger Marmorboden gewesen war. »Als die Menschen fortzogen, nahmen sie alles mit. Ihre Möbel, die Türen, sogar die Säulen. Und dann eroberte sich die Natur das Gelände zurück. Die ungeschützten Schlammziegelbauten waren dem Wind und den schwachen Regenfällen dreier Jahrtausende ausgesetzt. Und den Touristen, die über Jahrhunderte hinweg hierherkamen, haltmachten und sich ein Andenken für zu Hause mitnahmen. Nicht zu vergessen die Fellachen aus der näheren Umgebung, die die Nilschlammziegel fortschafften, um sie als Dünger zu benutzen. Es ist ein Wunder, daß hier überhaupt noch etwas übrig ist.«
Mark lief zwischen den Mauerresten umher; seine Stiefel knirschten auf dem Schotter. Alexis wich ihm nicht von der Seite. »Warum sind Sie sich nicht sicher, daß hier ein Palast stand? Ich dachte, jedes Gebäude sei genau identifiziert worden.«
Sie blieben an einer Treppe stehen, die ins Nichts hinaufführte. »Alles beruht auf Vermutungen, Mrs. Halstead. Eine Handvoll Fachleute einigt sich auf etwas, das keiner von ihnen genau weiß. Ein gutes Beispiel dafür ist das Bauwerk, das wir Echnatons Tiergarten nennen. Wir bezeichnen es nur so, weil seine winzigen fensterlosen Räume für
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