Die sieben Dämonen: Roman
wohingegen der Name der Mutter durchaus genannt wird. Zum Beispiel hier.« Ron hob den Arm und deutete auf eine senkrechte Hieroglyphenreihe. »Es wird hier folgendes über Prinzessin Baket-Aton ausgesagt: ›Baket-Aton, Königstochter aus seinen Lenden, geboren von der Hauptfrau Teje‹. Wir wissen, daß Baket-Atons Vater Amenophis war und daß sie Echnatons Schwester war. Und Teje war ja schließlich auch die Hauptfrau von Amenophis und auch Echnatons Mutter. Doch auf seine sogenannten Töchter
wird ebenfalls als ›Prinzessin Soundso, Königstochter, geboren von der Hauptfrau Nofretete‹, Bezug genommen. In allen Fällen werden sie nur als die Töchter des Königs bezeichnet, als ob die Identität des Königs unklar wäre, während die der Mutter genauer bestimmt werden mußte.«
Hasim räusperte sich. »Dann sind Sie also der Meinung, Dr. Farmer, daß der ungenannte König in allen Fällen Amenophis ist?«
»Meiner Ansicht nach regierte Echnaton mehrere Jahre lang gemeinsam mit seinem Vater – Amenophis in Theben, Echnaton hier. Als Amenophis der einzige Pharao war, sprach man von seinen Töchtern als ›Töchter des Königs‹. Als jedoch die beiden Pharaonen gemeinsam regierten, wurden die von Nofretete geborenen Töchter weiterhin als ›Töchter des Königs‹ bezeichnet, während Nofretete namentlich erwähnt ist. Wenn also die Mutter genannt wurde, wenn sie eine andere war, dann könnte man doch daraus schließen, daß auch der Vater genannt würde, wenn er sich änderte. Szenen, die Echnaton mit den sechs Prinzessinnen zeigen, sind als wundervolle Beispiele väterlicher Zuneigung gepriesen worden. Ich denke, man könnte sie ebensogut als Darstellung geschwisterlicher Liebe deuten.«
Ungeachtet der schalen Luft fuhr Ron in seinem Vortrag weiter. »Ein anderes Geheimnis, das die Statue Echnatons umgibt, ist die Tatsache, daß seine ihm treu ergebene Frau Nofretete ihn kurz vor dem Ende seiner Herrschaft verließ und in einen anderen Palast zog. Niemand weiß, warum.«
Alexis’ Stimme war nur noch als Flüstern zu vernehmen. »Hat sie ihn wirklich verlassen? Ich dachte, sie gelten als eines der berühmtesten Liebespaare der Geschichte?«
»Es besteht kein Zweifel, daß sie ihn verlassen hat, denn nach dem zwölften Jahr seiner Herrschaft erscheint Echnaton auf bildlichen Darstellungen nicht mehr zusammen mit Nofretete, sondern mit seinem Bruder Smenkhara, der Nofretetes Kleider trägt und mit ihren königlichen Titeln versehen wurde. Wir wissen aber, daß die Königin noch lebte, denn in einem der Paläste finden sich Beweise, daß sie dort mit dem kleinen Tutanchamun wohnte. Auf einer Stele sind die Brüder in inniger Umarmung dargestellt und scheinen sich zu küssen.«
»Ist das wahr?« Alexis’ Augen weiteten sich. »Können wir die Stele sehen?«
Ron fuhr sich mit der Hand über die Stirn; er schwitzte heftig. »Die Stele befindet sich im Museum in Berlin.« Er warf einen Blick zu Mark hinüber, der sich mit verschränkten Armen lässig gegen eine Wand lehnte.
»Ich kann Ihrer Theorie nicht zustimmen, Dr. Farmer«, meldete sich Hasim al-Scheichly zu Wort. »Nur weil der König im Gegensatz zur Mutter nicht genannt wird …«
Ron wandte seine Aufmerksamkeit dem jungen Ägypter zu und ärgerte sich, daß der Mann zu leise sprach, um richtig verstanden zu werden.
»… es gab zu dieser Zeit nur einen König, und zwar Echnaton, aber er hatte viele Frauen. Jedermann wußte, wer der König war, aber …«
Ron runzelte die Stirn. »Würden Sie bitte etwas lauter sprechen. Ich kann Sie nicht …«
»… die Frau mußte zur Unterscheidung von den anderen mit ihrem Namen genannt werden.«
Schweißtropfen lösten sich von Rons Stirn und rannen ihm in die Augen. Für einen Augenblick sah er alles verschwommen. Die Hitze im Raum nahm stetig zu. Er hörte sich selbst sagen: »Aber es gab zwei Könige in dieser Zeit, Mr. Scheichly …« Ron wollte sich an die Stirn fassen, aber er hatte nicht die Kraft dazu. »In der achtzehnten Dynastie war es durchaus nicht unüblich, daß zwei Herrscher gemeinsam regierten. Da der Sohn zeugungsunfähig war, ist es wahrscheinlich, daß der alte Pharao … die Aufgabe übernommen hat, den Thron … mit Nachkommen zu versorgen …« Während er sich den Schweiß aus den Augen wischte, sah Ron, wie seine Gefährten ihn mit ausdruckslosen Gesichtern anstarrten. Im trüben Dämmerlicht fiel ihm auf, daß Mark plötzlich von der Wand weggetreten war.
Ron spürte, wie sein
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