Die sieben Dämonen: Roman
man hörte keinen einzigen Laut.«
»Das will nichts heißen«, entgegnete Mark mit dumpfer Stimme. »Sie könnten ihn irgendwo anders ermordet und den Leichnam hierher zurückgebracht haben.«
»Aber warum?«
O Gott, dachte Mark, wenn ich das nur wüßte!
»Warum würde jemand so etwas tun? Ich meine, es sah wirklich so aus, als ob er …«
Mark stieß einen tiefen Seufzer aus und sah seinem Freund direkt ins Gesicht. »Laß uns nicht länger bei dem schrecklichen Thema verwei
len, Ron. Wir wollen den Vorfall so schnell wie möglich vergessen.«
»Mark, einen Menschen zu töten ist eine Sache. Aber ihn Scheiße essen zu lassen …«
»Ron, bitte …«
»Es kommt mir fast so vor …«, ließ sich Hasim al-Scheichly mit sanfter Stimme vernehmen, »als wollte uns jemand Angst einjagen.«
Mark, der spürte, daß er wieder zu zittern begann, ballte krampfhaft die Fäuste. Er mußte sich selbst in die Gewalt bekommen und gleichzeitig auch die anderen beruhigen. »Wir wollen kein Wort mehr über den Zwischenfall verlieren. Der Mann war ein Opfer einer Fehde innerhalb seines Volkes. Hoffen wir, daß es bei diesem einen Toten bleibt, denn ich lege keinen Wert darauf, daß die Polizei des Ma’mur unsere Arbeit durch Ermittlungen unterbricht. Was die … Art seines Todes betrifft, so war sie nicht dazu bestimmt, uns Angst einzujagen. Sie ist als Warnung an seine Freunde oder an irgendeine andere Person zu sehen, die darauf sinnt, seinen Tod zu rächen. Jetzt schlage ich vor«, Mark erhob sich mühsam, »daß wir uns alle bis zum Abendessen ausruhen.«
Mark hatte den Abend damit verbracht, im Labor abermals die kläglichen Überreste der Ramsgate-Expedition zu untersuchen. Irgendwann hatte sich Jasmina zu ihm gesellt. Sie sei unruhig und könne nicht schlafen, hatte sie fast entschuldigend erklärt. Sie hatten sich auf die hohen Hocker gesetzt und bei einer Tasse Zimttee ruhig miteinander geplaudert. Sie hatte ihn Mark genannt und war ihm gelöster vorgekommen als je zuvor.
Jetzt war er müde und stapfte schwerfällig zurück zu dem Zelt, das er mit Ron teilte. Zu seiner Überraschung brannte dort noch immer Licht.
Drinnen fand er seinen Freund, der im Schneidersitz auf seinem Feldbett saß und Ramsgates Tagebuch aufgeschlagen in seinem Schoß hielt. Neben seinem linken Knie lag eine Fotografie des obersten Stelenfragments. Er blickte nicht auf, als Mark eintrat.
»Was machst du da?« fragte Mark, während er sein Hemd aufknöpfte.
Neben Rons rechtem Knie lag ein Schreibblock, auf den er hastig Notizen kritzelte. »Ich versuche diese Götter zu identifizieren.«
Mark drehte sich um, zog sein Hemd aus seinem Hosenbund und
streifte es über den Kopf. Dann knipste er die Glühbirne über seinem eigenen Bett an, ließ sich darauf plumpsen, griff nach der Bourbon-Flasche und dem Glas auf seinem Nachttisch und schenkte sich ein wenig ein. »Und was hast du herausgefunden?«
Ron ließ den Kugelschreiber sinken und schaute auf. »Ich habe mich daran erinnert, daß Ramsgate die sieben Gestalten identifizierte, als er den Eingang zum Grab fand, und daß er sie in dem Tagebuch aufführt. Wir beide waren in der Lage, vier der Götter zu bestimmen: Amun der Verborgene, der in der Mitte steht; Am-mut der Gefräßige, erkennbar an seinem zusammengesetzten Körper – den Hinterbeinen eines Nilpferds, den Vorderbeinen eines Löwen und einem Krokodilskopf; Akhekh der Geflügelte, der sich ebenfalls durch seinen einzigartigen Körperbau, nämlich den einer Antilope mit Flügeln und Vogelkopf, von anderen unterscheidet; und schließlich dieses häßliche Ungeheuer namens Seth, der Mörder des Osiris. Das Feuer hat die anderen unkenntlich gemacht. Es sind nur noch Umrisse zu erkennen. So schaute ich im Tagebuch nach, und da ich feststellte, daß Ramsgates Identifizierung der vier mit der unseren übereinstimmt, gehe ich davon aus, daß er auch die anderen richtig erkannt hat.«
Mark schenkte sich Whisky nach. »Wer sind die anderen?«
Ron las laut aus dem Tagebuch vor: »Apep der Schlangenartige, ein Mensch, der eine Sichel trägt und zwischen dessen Schultern sich anstelle des Kopfes eine Kobra emporwindet; der Aufrechte, ein auf den Hinterbeinen stehendes Wildschwein mit menschlichen Armen; und zuletzt die Göttin, die die Toten in Fesseln legt …«, Ron blickte auf, »… eine Frau mit dem Kopf eines Skorpions.«
Mark zog die Mundwinkel herunter und hob die Augenbrauen.
»Eine ziemlich beeindruckende
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