Die sieben Dämonen: Roman
erhoben und das Zelt verließen, wurde Mark jäh aus seinen Gedanken gerissen. Alexis Halstead, das wußte er, würde gleich in ihr Zelt zurückkehren und die größte Hitze des Tages in einem durch Tabletten erzeugten Schlaf überstehen. Hasim würde sich zurückziehen, um Briefe an seine zahlreichen Verwandten zu schreiben. Ron würde sich in der Dunkelkammer aufhalten, und Sanford Halstead würde wahrscheinlich seine üblichen Freiübungen durchführen.
Nur Jasmina blieb zurück.
»Sie sind heute nicht sehr gesprächig«, sagte sie zu ihm. Mark schob sein unberührtes Essen weg und stand auf. »Es gibt eine Menge Dinge, über die ich nachdenken muß.«
»Sie sollten etwas essen. Sie haben schon stark abgenommen.«
»Ach ja?« Mark faßte sich an den Bauch und stellte fest, daß die Fett
pölsterchen und der Rettungsring über seinem Hosenbund verschwunden waren. Sein Körper war straff und schlank geworden.
Er verließ mit Jasmina das Zelt, und seine Gedanken schweiften wieder ab. Schweigend liefen sie nebeneinander her. Als sie Jasminas Zelt erreichten, blieb die junge Frau stehen und blickte zu Mark auf. »Mark, ich mache mir Sorgen.«
»Worüber?«
Sie sah sich um und senkte die Stimme. »Es geht um Mr. Halstead. Er leidet unter starken Blutungen, will sich aber nicht von mir behandeln lassen. Warum nur?«
»Sanford Halstead ist ein ausgesprochener Machotyp. Es fällt ihm schwer, eine Schwäche offen zuzugeben, insbesondere einer Frau gegenüber.«
»Machotyp?«
»So nennt man einen Mann, der sich übertrieben hart und männlich gibt. Ich denke, er muß sich seine Männlichkeit ständig selbst beweisen. Er gibt sich den Anschein von eiserner Gesundheit und kann niemandem eingestehen, daß er doch nicht ganz so perfekt ist.«
»Das ist doch töricht. Er braucht einen Arzt.«
»Können Sie ihm helfen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ist es schlimm?«
»Das kann ich nicht sagen, ohne ihn untersucht zu haben. Hat er mit Ihnen noch einmal über seine Beschwerden gesprochen?«
»Nein. Ich hatte es auch schon völlig vergessen.«
»Nun ja …« Sie schaute hinunter auf ihre Füße und wühlte mit einer nackten Zehe im Sand.
»Wie steht es mit Ihrem Zelt? Haben Sie noch irgendwelche Insekten bemerkt?«
»Nur ein paar …«
»Hm.« Mark blickte auf ihren gesenkten Kopf und betrachtete die dicken, schwarzen Locken, die ihr über Rücken und Schultern fielen. Sie war so klein, so ruhig, so sanft und dabei doch so aufregend sinnlich. Er fragte sich, was sie wohl von ihm hielt. Aber eigentlich konnte er es sich schon denken. Die Kluft zwischen muslimischer und abendländischer Kultur war einfach zu groß. Er bezweifelte, daß sie für ihn dasselbe empfand wie er für sie: das Verlangen, sie in seine Arme zu
schließen, sich an ihren Küssen zu berauschen und mit ihr ins Bett zu gehen …
Jasmina hob den Kopf, und Mark schämte sich augenblicklich seiner Gedanken. Sie sah mit leicht geöffneten Lippen zu ihm auf, als wartete sie darauf, daß er etwas sagte. »Nun, dann also gute Nacht«, meinte er schließlich.
Nachdem sie im Innern ihres Zeltes verschwunden war und den Reißverschluß des Moskitonetzes zugezogen hatte, schlenderte Mark von den Zelten weg und beschloß, vor dem Zubettgehen noch in aller Ruhe eine Pfeife zu rauchen.
In der Nähe der alten Mauer stieß er auf Alexis Halstead, die unbeweglich wie eine Statue dastand und zu horchen schien.
»Mrs. Halstead?« Als er sich ihr näherte, roch er wieder den vertrauten Duft von Gardenien, aber diesmal kam noch etwas anderes hinzu. Da war ein eigenartiger, kaum wahrnehmbarer Geruch … Er trat vor sie und sah, daß Alexis mit blanken und glasigen Augen starr geradeaus blickte. Unter dem süßlichen Duft von Gardenien lag ein anderer, schaler, leicht abstoßender Geruch, den Mark nicht bestimmen konnte. »Mrs. Halstead?«
Ihr Blick flackerte, und dann richtete sie ihre Augen auf ihn. Es war so, als wäre sie gerade aus einem Traum gerissen worden. »Hören Sie das Rauschen des Windes in den Bäumen?« Mark schaute sich in der windstillen Wüstennacht um. »Es gibt hier keine Bäume, Mrs. Halstead.« Dann fiel es ihm plötzlich ein. Es war der Geruch von abgestandenem Alkohol. »Aber ich höre es ganz deutlich …«
»Das ist unmöglich, Mrs. Halstead. Sie bilden es sich nur ein.«
»Gewiß.« Alexis stieß einen langen, bebenden Seufzer aus.
»Ist Ihnen nicht kalt?«
Sie rieb sich ein wenig die Arme und schüttelte gleich darauf heftig den
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