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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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erschien mir sinnlos. Wütend auf mich selbst und unfähig, meine eigene Unzufriedenheit zu unterdrücken, brach ich allein zu einer Wanderung über die felsige Hochfläche auf.
    Als ich oben auf der Klippe stand und die Weite des Meeres vor mir sah und nur das Schlagen der Wellen unter mir und die grellen Schreie der Seemöven über mir hörte, konnte ich meinen Gedanken freien Lauf lassen. Doch ich konnte tun, was ich wollte, sie kehrten ständig zu dem einen Thema zurück, nämlich der Befreiung von dem Zweifel, der mich quälte. Hier in der Einsamkeit inmitten der Natur, mit ihren Kräften und Kämpfen, konnte mein Verstand wieder klar arbeiten. Unwillkürlich ertappte ich mich bei einer Frage, deren Antwort ich mir nicht gestattete.
    Aber schließlich siegte die Beharrlichkeit eines regen Verstandes. Ich mußte meinem Zweifel ins Auge sehen. Eine lebenslange Gewohnheit meldete sich zu Wort, und ich fing an, die vorliegenden Tatsachen zu analysieren.
    Das erwies sich jedoch als so erschreckend, daß ich mich zum Gehorsam dem logischen Denken gegenüber zwingen mußte. Ich ging von folgendem aus: Margaret hatte sich verändert – in welcher Weise und wodurch? Hatte sich Charakter, Verstand oder Wesen geändert? Ihr äußere Erscheinung war unverändert. Ich ordnete nun alles ein, was ich von ihr wußte, angefangen von ihrer Geburt.
    Schon von Anfang an war alles von Merkwürdigkeiten umgeben. Sie war, wie Corbeck mir erzählt hatte, von einer toten Mutter geboren worden, zu einer Zeit, da ihr Vater sich mit einem Freund in jener Gruft bei Assuan in Trance befand. Diese Trance war vermutlich von einer Frau hervorgerufen worden, einer mumifizierten Frau, die jedoch, da wir allen Grund zur Annahme hatten, sich einen Astralleib erhalten hatte, der ihrem freien Willen und einer höchst aktiven Intelligenz unterworfen war. Für diesen Astralleib gab es keine räumlichen Entfernungen. Die Strecke London – Assuan schrumpfte zu einem Nichts zusammen. Und was dieser Magierin an Hexenkünsten zu Gebote gestanden hatte, wandte sie an der toten Mutter und möglicherweise an dem toten Kind an.
    Das tote Kind! War es am Ende möglich, daß dieses tote Kind wieder lebendig gemacht worden war? Woher war denn der belebende Geist – die Seele, gekommen? Nun wies mir die Logik mit überraschender Deutlichkeit den Weg!
    Nach dem Glauben der alten Ägypter konnten das »K« und das »Khu« der toten Königin alles beleben, was ihr beliebte. Traf dies zu, dann war Margaret gar kein eigenes Individuum, sondern nur eine Phase, die Königin Tera durchlief, ein Astralleib, dem Willen der Tera untenan!
    Da lehnte ich mich gegen die Logik auf. Mit allen Fasern meines Seins wehrte ich mich gegen diese Schlußfolgerung. Wie konnte ich nur glauben, es gäbe gar keine Margaret, sondern nur ein belebtes Abbild, Werkzeug einer Frau, die vor vierzig Jahrhunderten einen Plan ausgeheckt hatte…! Trotz der neuen Zweifel bot sich mir nun ein freundlicherer Ausblick dar.
    Immerhin hatte ich Margaret! Und wieder schwang das Pendel der Logik zurück. Dann war das Kind nicht tot gewesen. Wenn ja, hatte die Zauberin etwas mit ihrer Geburt zu schaffen? Wie ich von Corbeck wußte, bestand eine frappierende Ähnlichkeit zwischen Margaret und den Bildern von Königin Tera. Wie war dies nur möglich? Ihre Mutter hatte diese Bilder nie gesehen, deshalb konnte es sich nicht um ein durch »Versehen« entstandenes Merkmal handeln. Nein, auch ihr Vater hatte sie erst zu Gesicht bekommen, nachdem er sich wenige Tage vor ihrer Geburt den Weg in die Gruft gebahnt hatte. Dieses Stadium jedoch überwand ich nicht so leicht wie das vorhergehende. Die Fasern meines Seins blieben ungerührt. Der Schrecken des Zweifels wollte nicht weichen. Und dank der Seltsamkeit menschlichen Wesens nahm dieser Zweifel eine konkrete Gestalt an. Es war ein gewaltiges Dunkel, in dem hin und wieder winzige Lichtpünktchen aufblitzten, die nur dazu dienten die Dunkelheit schneller zur Gewißheit werden zu lassen.
    Übrig blieb die Möglichkeit einer Beziehung zwischen Margaret und der mumifizierten Königin insofern, als die Zauberin geheimer okkulter Mittel ihre Stelle einnehmen konnte. Dieser Aspekt ließ sich nicht so einfach beiseite schieben. Für diese Annahme sprachen nun, da ich mich eingehend damit befaßte und mein Verstand diese Möglichkeit in Betracht zog, zu viele Verdachtsmomente. Daraufhin fielen mir all die sonderbaren unerklärlichen Dinge ein, die in den letzten Tagen

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