Die sieben Finger des Todes
durch unser aller Leben gefegt waren. Zunächst überfielen sie mich sämtlich als wirre Masse. Wiederum aber gewann die Geisteshaltung meines Berufes die Oberhand, und sie ordneten sich ein. Mir fiel es nun leichter, mich zu beherrschen. Denn nun hatte ich etwas Faßbares, etwas was es zu tun galt, obgleich es betrüblicher Natur war, da es sich gegen Margaret richten konnte oder tatsächlich richtete. Aber Margaret selbst war ja höchst gefährdet! Ich war in Gedanken bei Ihr und kämpfte um sie. Doch wenn ich dabei im dunkeln arbeitete, konnte ich ihr Schaden zufügen. Meine wichtigste Waffe zu ihrer Verteidigung war die Wahrheit. Erst mußte ich wissen und begreifen, sodann würde ich vielleicht handeln können. Ganz gewiß konnte ich zu ihrem Wohl nichts unternehmen, ohne das richtige Erfassen und Erkennen der Tatsachen, die sich der Reihe nach wie folgt präsentierten:
Erstens: Die sonderbare Ähnlichkeit der Königin mit Margaret, die in einem anderen, tausend Meilen entfernten Land geboren worden war, als ihre Mutter nicht die leiseste Ahnung vom Aussehen der Königin Tera haben konnte.
Zweitens: Das Verschwinden von Van Huyns Buch, als ich eben die Beschreibung des Stern-Rubins gelesen hatte.
Drittens: Das Auffinden der Lampen im Boudoir. Der Astralleib Teras konnte die Tür von Corbecks Hotelzimmer aufgeschlossen und sie nach ihrem Abgang mit den Lampen wieder versperrt haben. Auf dieselbe Weise konnte sie das Fenster geöffnet und die Lampen im Boudoir untergebracht haben. Margaret mußte persönlich dabei nicht die Hand im Spiel gehabt haben, aber – aber es war das alles zumindest äußerst merkwürdig.
Viertens: Die Verdachtsmomente des Detektivs und des Arztes kamen mir mit erneuter Kraft und mit größerem Verständnis in den Sinn.
Fünftens: Es gab Gelegenheiten, da Margaret bevorstehende Perioden der Ruhe richtig angekündigt hatte, als wüßte sie um die Absichten des Astralleibes der Königin.
Sechstens: Das auf ihren Vorschlag hin erfolgte Wiederauffinden des Rubins, den ihr Vater verloren hatte. Während ich diese Episode im Lichte meines Argwohns neu überdachte, kam ich zu dem einzig möglichen Schluß, daß – immer vorausgesetzt, die Theorie von der astralen Kraft der Königin stimmte – Königin Tera, sich den Edelstein aus der Brieftasche angeeignet hatte, weil sie auf ihre Weise, nämlich dank ihrer übernatürlichen Kräfte, sicherstellen wollte, daß die Fahrt von London nach Kyllion ungestört verlief. Hierauf hatte sie mittels Margaret das Wiederauffinden möglich gemacht.
Siebtens und letztens: Die sonderbare Doppel-Existenz, die Margaret in letzter Zeit zu führen schien, und die in gewisser Weise eine Folgeerscheinung der vorausgegangenen Ereignisse war.
Die Doppel-Existenz! Das war tatsächlich die Schlußfolgerung die alle Schwierigkeiten besiegte und Widersprüche aufhob. War Margaret nicht ihrem eigenen Willen unterworfen, sondern gezwungen, nach fremden Anweisungen zu sprechen und zu handeln, dann war alles möglich. Dann hing alles vom Geist jenes Individuums ab, von dem sie getrieben wurde. War dieses Individuum gut und gerecht und rein, dann konnte alles gut ausgehen. Wenn es sich jedoch anders verhielt… der Gedanke war zu schrecklich, um in Worte gefaßt zu werden. Ich knirschte mit den Zähnen vor machtloser Wut, während mir sämtliche gräßlichen Möglichkeiten durch den Kopf gingen.
Bis zum heutigen Morgen war Margarets Abgleiten in ihr neues Ich nur selten und kaum bemerkbar gewesen. Nur ein- oder zweimal war mir ihre Haltung mir gegenüber anders erschienen. Dann aber war das Gegenteil eingetreten, und die Veränderung ließ Schlimmes befürchten. Immerhin bestand die Möglichkeit, daß jenes andere Individuum von minderer und nicht von besserer Art war! Als ich länger darüber nachdachte, glaubte ich Grund zu derartigen Befürchtungen zu haben. In der Geschichte der Mumie hatte es, angefangen von Van Huyns Eindringen in die Gruft, eine erschreckende Vielzahl von Todesfällen gegeben, die aller Wahrscheinlichkeit nach ihrem Willen und ihrem Tun zuzuschreiben waren. Der Araber, der die Hand geraubt hatte, und derjenige, der wiederum ihn beraubt hatte. Der arabische Scheich, der Van Huyn den Stein hatte rauben wollen, und dessen Kehle die Abdrücke von sieben Fingern aufwies. Die zwei Toten, die man gefunden hatte, nachdem Trelawny den Sarkophag mitgenommen hatte, und die drei, die bei der Rückkehr zur Gruft ihr Leben lassen mußten. Dazu
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