Die sieben Finger des Todes
logische Denken, das bei ihm als Gegenmittel gegen die Angst gewirkt hatte, und nun dieser Pflicht ledig war, erhöhte nun seine intellektuelle Begeisterung. Mr. Corbeck schien den Blick eher in die Vergangenheit zu richten, als sich Spekulationen hinzugeben. Ich selbst fühlte mich unbeschwert. Meine Angst um Margaret war der Erleichterung gewichen.
Mr. Trelawny war derjenige, dem eine Veränderung am wenigsten anzumerken war. Das mochte nur natürlich sein, da er ja das, was wir heute vorhatten, jahrelang angestrebt hatte, so daß ihm jedes damit verbundene Ereignis nur als Episode, als ein zum Ziel führender Schritt erschien. Er gehörte zu jenen Führernaturen, die stets nur das Ziel vor Augen haben und alles andere als nebensächlich ansehen. Auch jetzt wankte und schwankte er keinen Augenblick, obgleich seine schreckliche Starre sich ein wenig gelockert hatte. Er bat uns Männer mit ihm zu gehen. Wir folgten ihm in die Halle und schafften einen Eichentisch in die Höhle, einen Tisch von ziemlicher Länge und mäßiger Breite. Diesen stellten wir unter die in der Mitte der Höhle angebrachten elektrischen Leuchten.
Margaret sah zunächst zu. Plötzlich aber erbleichte sie und fragte erregt:
»Vater, was hast du vor?«
»Ich will die Katzenmumie auswickeln! Königin Tera braucht ihren Schutzgeist heute nicht mehr. Sollte sie nach ihm verlangen, könnte es für uns gefährlich werden. Deswegen müssen wir uns absichern. Du hast doch keine Angst, Liebes?«
»O nein!« kam ihre hastige Antwort. »Aber ich mußte an meinen Silvio denken und daran, was ich wohl empfinden würde, wäre er die Mumie, die nun enthüllt werden soll!«
Mr. Trelawny legte Messer und Scheren bereit und hob die Katze auf den Tisch. Es war ein wahrhaft grausames Beginnen unserer Arbeit. Und mein Herz sank bei dem Gedanken daran, was sich um die Mitte der Nacht in dem einsamen Haus abspielen mochte. Das Gefühl der Verlassenheit und des Abgeschiedenseins von der übrigen Welt wurde nun durch das Heulen des Windes verstärkt, der sich bedrohlich erhoben hatte, und durch den Anschlag der Wellen auf die Felsen unter uns. Doch war die vor uns liegende Aufgabe zu ernst, als daß wir uns durch äußere Umstände hätten irremachen lassen. Das Aufwickeln der Mumie begann.
Die Vielzahl der Bandagen war unglaublich. Und das Geräusch des Abreißens – denn sie klebten durch das Gemisch aus Erdpech, Harz und Gewürzkräutern fest aneinander – samt dem roten, beißenden Staubwölkchen, das sich erhob, drückte auf unsere Stimmung. Als auch die letzte Hülle entfernt war, sahen wir das Tier vor uns sitzen. Es hockte zusammengekauert da, Haare, Zähne und Krallen waren unversehrt. Die Augen waren geschlossen, doch die Lider wirkten nicht so wild, wie ich erwartet hatte. Die langen Schnurrbarthaare waren von den Bandagen seitlich an den Kopf angedrückt worden, doch als nun der Druck entfernt worden war, stellten sie sich auf, als wäre das Tier lebendig. Es war ein prächtiges Geschöpf, eine Tigerkatze von ungewöhnlicher Größe. Unsere Bewunderung wich jedoch der Angst, als wir nach dem ersten Blick feststellen mußten, daß sich unsere Befürchtungen leider bewahrheitet hatten.
Maul und Krallen wiesen getrocknete Blutspuren auf, die noch nicht alt sein konnten!
Doktor Winchester erholte sich als erster von dem Schrecken.
Blut war an sich für ihn nichts Furchteinflößendes. Er hatte seine Lupe hervorgeholt und untersuchte nun die Flecken am Katzenmaul. Mr. Trelawny atmetet hörbar auf, als sei ein großer Druck von ihm gewichen.
»Wie erwartet«, erklärte er. »Ein vielversprechender Beginn.«
Dr. Winchester war nun bei der Untersuchung der rotgefleckten Pfoten angelangt.
»Dachte ich mir’s doch!« rief er aus. »Er hat sieben Krallen!« Er holte seine Brieftasche hervor und entnahm ihr das von Silvios Krallen zerrissene Stück Löschpapier, auf dem auch ein Diagramm der Risse an Mr. Trelawnys Hand gezeichnet war. Dieses Stück Papier schob er unter die Pfote der Katzenmumie. Die Kratzspuren paßten genau zur Krallenanordnung.
Nachdem wir die Katze genau untersucht hatten, jedoch bis auf den guten Erhaltungszustand nichts Außergewöhnliches entdecken konnten, hob Mr. Trelawny sie vom Tisch. Margaret stürzte mit dem Ausruf auf ihn zu:
»Gib acht, Vater! Gib acht! Er könnte dich verletzen!«
»Jetzt nicht mehr, meine Liebe!« sagte er, auf die Treppe zuhaltend. Sie machte ein erstauntes Gesicht. »Wohin gehst du?« fragte sie
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