Die sieben Finger des Todes
etwas gänzlich anderes war. Zu dem stets vorherrschenden Empfinden von Menschsein und Tod kam das Gefühl, daß man hier mit größerer Feinheit verfahren war. Die Katze war mit gröberen Materialien einbalsamiert worden. Hier aber war alles viel sorgfältiger und mit edleren Stoffen ausgeführt, das sah man, nachdem die äußere Umhüllung entfernt wurde. Nur das Beste vom Besten an Harzen und Kräutern war bei dieser Einbalsamierung verwendet worden. Die Umstände allerdings blieben gleich, es ging nicht ohne roten Staub und den beißenden Geruch des Erdharzes ab, und das Zerreißen der Bandagen hörte sich ebenfalls gleich an. Diese Umhüllungen waren in unglaublicher Vielzahl vorhanden und häuften sich zu großem Umfang auf. Während die Männer diese Hüllen aufwickelten wuchs meine Erregung. Ich selbst nahm an dieser Tätigkeit nicht aktiv teil. Margaret hatte mich dankbar angesehen, als sie merkte, daß ich mich zurückhielt. Wir hielten uns fest an der Hand und sahen zu. Die Umhüllungen wurden immer feiner, der Geruch weniger erdharzhaltig, dafür aber beißender. Wir alle bekamen bald das Gefühl, daß dieser Geruch uns irgendwie besonders beeinflußte, wenn auch die Arbeit davon unberührt weiterging. Manche der inneren Hüllen trugen Symbole oder Bilder, teils ganz in Hellgrün gehalten, teils vielfarbig. Immer aber herrschte die Farbe Grün vor. Zuweilen deutete Mr. Trelawny oder Mr. Corbeck auf ein besonderes Zeichen, ehe die Hülle auf den Stapel abgelegt wurde, der mittlerweile zu unglaublicher Höhe angewachsen war.
Schließlich merkten wir, daß es mit den Hüllen zu Ende ging. Die Proportionen wurden den normalen Ausmaßen der Königin immer ähnlicher, und man sah, daß diese überdurchschnittlich groß war. Und mit dem Herannahen des Endes wurde Margaret immer bleicher. Und ihr Herz schlug immer heftiger, bis ihre Brust sich so ungestüm hob und senkte, daß ich es mit der Angst zu tun bekam.
Als ihr Vater eben die letzte Bandage abnehmen wollte, sah er zufällig auf und bemerkte ihre blasse und verängstigte Miene. Er hielt inne in der Annahme, sie fühle sich in ihrem Schamgefühl beleidigt und sagte tröstend:
»Hab keine Angst! Sieh doch, die Königin trägt ein Gewand – oh, ein wahrhaft königliches Gewand!«
Die letzte Hülle reichte über die volle Länge des Körpers, und als sie entfernt wurde, sah man ein prächtiges weites Gewand, aus weißem Leinen, das den Körper vom Hals bis zu den Füßen bedeckte.
Und was für Leinen das war! Wir beugten uns vor, um es zu bewundern.
In Margaret wurde die Angst durch ihr weibliches Interesse an schönem Stoff besiegt. Wir alle konnten uns vor Staunen nicht fassen. Denn so feines Leinen hatte in unserem Zeitalter kein Auge je erblickt. Es war fein wie feinste Seide. Doch niemals war eine Seide gesponnen oder gewebt worden, die feine Fältchen warf, obgleich sie von den engen Umwickelungen durch Tausende von Jahren wie geprägt wirkten.
Der Halsausschnitt war mit winzigen Maulbeerzweigen aus purem Gold bestickt. Und am ähnlich gearbeiteten Saum reihte sich eine endlose Reihe Lotuspflanzen ungleicher Höhe aneinander, alle in natürlicher Größe.
Quer über dem Leib, diesen aber nicht umspannend, lag ein edelsteingeschmückter Gürtel. Ein wundervoller Gürtel, der in allen Formen, Phasen und Farben des Himmels funkelte und schimmerte!
Als Gürtelschnalle diente ein gelber Stein, rund und tief gewölbt, als hätte man eine weiche Kugel dagegengedrückt. Er glänzte und glühte wie von einer inneren Sonne angestrahlt. Seine Strahlen erhellten alles um uns herum. Flankiert wurde dieser Stein von zwei großen Mondsteinen etwas kleinerer Größe, deren Schimmer, neben der Pracht des Sonnensteins wie Mondlicht wirkte.
Beidseits dieser Steine ging eine Reihe strahlender Steine aus, von goldenen Spangen erlesener Form zusammengehalten. Ein jeder dieser Steine sah aus, als enthielte er einen lebendigen Stern, der in allen Phasen des Lichtes funkelte.
Margaret hob verzückt die Hände. Sie beugte sich vor, um das alles näher zu besehen. Plötzlich aber fuhr sie zurück und richtete sich zu voller Größe auf. Und was sie nun sagte, das sagte sie mit der Überzeugung des Wissenden:
»Das ist kein Totenhemd! Das war nicht für den Tod bestimmt. Es ist ein Hochzeitsgewand!«
Mr. Trelawny berührte das Leinengewand. Er hob ein Fältchen am Nacken an, und als er hastig Luft holte, merkte ich, daß ihn etwas sehr überrascht hatte. Er hob das
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