Die sieben Finger des Todes
sich entschlossen, nichts als eine Mumie zu sein, bis alles vorüber ist und der Akt der Auferstehung erreicht wurde oder sich als Fehlschlag erwies!«
Nach einer kurzen Pause antwortete Margaret leise:
»Ja!«
In dieser Pause hatte sich ihr ganzes Sein verändert, Erscheinung, Stimme, Ausdruck, Auftreten. Das fiel sogar Silvio auf, der sich ihr nach heftigen Bemühungen endlich entwinden konnte. Ihr schien das gar nicht aufzufallen. Ich erwartete nun, daß der Kater, kaum hatte er seine Freiheit durchgesetzt, sich unverzüglich auf die Katzenmumie stürzen würde. Diesmal aber unterließ er es. Er schien verängstigt, wich zurück und drückte sich mit einem kläglichen »Miau« an meine Beine. Ich nahm ihn in die Arme, und er nestelte sich befriedigt zurecht.
Mr. Trelawny fragte von neuem:
»Bist du dessen sicher? Glaubst du es aus ganzem Herzen?«
Margarets Miene wirkte nicht mehr so verloren. Im Gegenteil, sie strahlte mit der Hingabe dessen, dem es gegeben wird, von großen Dingen zu sprechen. In ihrer Antwort schwang die unbedingte Überzeugung mit:
»Ich weiß es! Mein Wissen reicht über bloßes Glauben hinaus!«
»Du bist also so sicher, daß du – an Königin Teras Stelle gesetzt – gewillt wärest, dafür den Beweis anzutreten, und zwar so, wie ich es dir vorschreibe?«
»Ja, wie du willst!« lautete ihre furchtlose Antwort.
»Auch wenn du damit deinen Schutzgeist dem Tod – der Vernichtung preisgibst?«
Sie zögerte, und ich sah ihr an, daß sie litt – daß sie wahre Qualen ausstand. In ihre Augen trat ein gejagter Blick, ein Blick den kein Mann unbewegt in den Augen der Geliebten sehen kann. Ich wollte einschreiten, als der Blick ihres Vaters, der mit grimmiger Entschlossenheit in die Runde sah, mich traf. Da hielt ich inne, wie von einem Zauber angerührt. Und den anderen erging es ebenso. Vor unseren Augen ging etwas vor, was über unser Begriffsvermögen hinausging!
Mit wenigen Schritten war Mr. Trelawny an der Westwand der Höhle und zog den Laden vor der Fensteröffnung zurück. Kühle Luft wehte herein, und die letzten Sonnenstrahlen fielen nun auf beide, denn Margaret war an seine Seite getreten. Er deutete hinaus, dorthin wo die Sonne gleich einem goldenen Feuerball im Meer versank, und seine Miene war hart wie Granit. Mit einer Stimme deren kompromißlose, absolute Härte mir bis zur Stunde meines Tode in den Ohren klingen wird, sagte er:
»Entscheide dich! Sprich! Wenn die Sonne im Meer versinkt, wird es zu spät sein!«
Die Herrlichkeit der sterbenden Sonne erleuchtete Margarets Antlitz, bis es wie von einem inneren Licht erhellt strahlte.
»Ja, auch wenn es seinen Tod bedeutet!« gab sie zurück.
Sie ging an den Tisch, auf dem die Katzenmumie hockte, und faßte sie an. Nun fielen tief und dunkel die Schatten auf Margaret, und sie sagte:
»Wäre ich Tera, so würde ich sagen: »Nimm alles, was ich habe! Diese Nacht gehört allein den Göttern!««
Sie hatte noch nicht ausgesprochen, da war die Sonne untergegangen, und kalte Schatten überfielen uns. Alle standen wir reglos da. Silvio wand sich aus meinen Armen und lief seiner Herrin zu. Vor ihr stellte er sich auf die Hinterbeine und krallte sich in ihr Kleid, als bitte er darum, in die Arme genommen zu werden. Der Katzenmumie schenkte er keinerlei Beachtung mehr.
Margaret erstrahlte in ihrem gewohnten Liebreiz, als sie sagte:
»Vater, die Sonne ist untergegangen! Ob wir sie je wiedersehen werden? Die Nacht der Nächte ist gekommen!«
19. KAPITEL
DAS GROSSE EXPERIMENT
Hätte es noch eines Beweises bedurft, wie absolut wir alle die spirituelle Existenz der ägyptischen Königin als Tatsache hinnahmen, so hätte man diesen Beweis in der Veränderung sehen können, die wir alle in wenigen Minuten durchmachten, nachdem Tera, wie wir alle glaubten, durch Margarets Mund, freiwillig auf ihren Schutzgeist verzichtet hatte.
Trotz des Herannahens des Experimentes, dessen Sinn und Zweck uns ständig vor Augen stand, machte sich in unseren Mienen große Erleichterung bemerkbar. Jene schrecklichen Tage, als Mr. Trelawny in Trance gelegen hatte, waren unvergessen. Wer es nicht selbst erlebt hat, kann nicht ermessen, was es heißt, in ständiger Angst vor einer unbekannten Gefahr zu leben, die jederzeit und in jeglicher Gestalt auftreten kann.
Dieser Veränderung machte sich auf verschiedene Weise bemerkbar, gemäß der Natur eines jeden. Margaret war betrübt. Dr. Winchester war hochgestimmt und aufmerksam. Das
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