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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Zeichen einer großzügigen und unerschütterlich gutmütigen Natur. Die hohe weiße Stirn, die frei von Sommersprossen war, deutete auf Verstand und auf Kraft der Gedanken.
    Doktor Winchester hatte ihr auf der Fahrt vom Krankenhaus bereits die notwendigen Einzelheiten berichtet. Wortlos machte sie sich an die Arbeit und nahm den Patienten in ihre Obhut. Nachdem sie das frischgemachte Bett begutachtet und die Kissen aufgeschüttelt hatte, wandte sie sich an den Arzt, der ihr nun Anweisungen gab. Zu viert hoben wir den Bewußtlosen vom Sofa.
    Nachdem Sergeant Daw am frühen Nachmittag wieder eingetroffen war, stattete ich meiner Bleibe in der Jermyn Street einen Besuch ab und stellte jene Kleidungsstücke, Bücher und Papiere zusammen, die ich in den nächsten Tagen wahrscheinlich brauchen würde. Dann erledigte ich meine beruflichen Verpflichtungen.
    Die Gerichtsverhandlung zog sich in die Länge, da es sich um einen wichtigen Fall handelte, der zu Ende gebracht wurde. Es war Schlag sechs Uhr, als ich durch das Tor der Kensington Palace Road einfuhr. Ich wurde in einem großen Zimmer nahe dem Krankenzimmer untergebracht.
    An jenem Abend hatten wir die Krankenwache nur provisorisch arrangiert, so daß die Verteilung nicht ganz gerecht ausfiel. Schwester Kennedy, die den ganzen Tag auf Posten gewesen war, hatte sich niedergelegt, und wollte um zwölf Uhr wieder zur Stelle sein. Doktor Winchester, der im Hause zu Abend essen sollte, blieb im Krankenzimmer, bis zum Dinner geläutet wurde. Er kam nach Tisch unverzüglich zurück. Während des Dinners blieb Mrs. Grant bei dem Kranken, ihr zur Seite Sergeant Daw, der eine genaue Untersuchung des Raumes und der näheren Umgebung zu Ende bringen wollte. Um neun Uhr lösten Miß Trelawny und ich den Arzt ab. Sie hatte sich nachmittags ein paar Stunden ausgeruht, um für die Nachtwache erquickt zu sein. Sie hätte sich entschlossen, zumindest in der Nacht durchzuwachen, erklärte sie mir. Ich versuchte gar nicht erst sie umzustimmen, da ich wußte, daß ihr Entschluß feststand. Von meinen Absichten ließ ich im Moment nichts verlauten.
    Wir traten auf Zehenspitzen ein, so leise, daß der Arzt, der sich eben über das Krankenlager beugte, uns gar nicht hörte, und sogar ein wenig erschrocken schien, als er aufblickte und merkte, daß wir ihn ansahen. Ich spürte, daß das Rätselhafte des Falles ebenso an seinen Nerven zerrte, wie an den Nerven einiger anderer von uns. Vermutlich war er ein wenig verärgert über sein Erschrecken, weil er ganz plötzlich und hastig zu reden begann, damit wir nicht auf die Idee kämen, es wäre ihm peinlich.
    »Ich bin am Ende meiner Weisheit angelangt, was die Ursache dieser Starre angeht. Ich habe eben eine so genaue Untersuchung wie nur irgend möglich vorgenommen, und habe mit Befriedigung festgestellt, daß keine Gehirnverletzung vorliegt, wenigstens keine äußere. Alle lebenswichtigen Organe scheinen intakt. Wie Sie wissen, habe ich ihm mehrmals Nahrung eingeflößt, was ihm sichtlich guttat. Die Atmung ist kräftig und regelmäßig, sein Puls langsamer und stärker als heute morgen. Ich kann keine Anzeichen dafür erkennen, daß er unter dem Einfluß irgendeiner bekannten Droge steht, und seine Bewußtlosigkeit ähnelt in keiner Weise einem der zahlreichen Fälle von Tief schlaf in – Hypnose, die ich im Hospital Charcots in Paris beobachten durfte. Und was nun diese Wundmale betrifft« – er legte sacht den Finger auf das verbandumhüllte Gelenk, das auf der Decke lag, »so weiß ich nicht, was davon zu halten ist. Sie könnten von einer Krempelmaschine verursacht worden sein. Aber diese Annahme ist unhaltbar. Es bestünde immerhin die Möglichkeit, daß ein wildes Tier sie ihm zugefügt hat, falls es sich vorher sorgsam die Krallen schärfte. Auch das darf man als unwahrscheinlich ausschließen. Gibt es hier im Haus übrigens außergewöhnliche Haustiere, wie zum Beispiel eine Tigerkatze oder etwas ähnlich Ausgefallenes?«
    Miß Trelawny lächelte traurig, was mir einen Stich ins Herz versetzte. Sie antwortete:
    »Nein, keineswegs. Vater mag keine Tiere im Haus – es sei denn sie wären tot und mumifiziert.« Das sagte sie mit einem Anflug von Bitterkeit – oder Eifersucht, ich konnte es nicht unterscheiden. »Sogar mein armes Kätzchen wurde hier im Haus nur ungern geduldet. Es ist das liebste und artigste Kätzchen der Welt und darf nur auf Widerruf hier sein. Dieses Zimmer hier ist ihm überhaupt verwehrt.«
    Sie hatte noch

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