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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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ja, in der Tat, sie erinnerten in mancher Hinsicht an die römischen Wannen aus Stein oder Marmor, die ich gesehen hatte. Im Inneren dieses einen Sarkophags jedoch befand sich eine Erhebung, die die Umrisse einer menschlichen Gestalt hatte.
    Ich fragte Margaret danach, und sie sagte darauf:
    »Vater wollte nie über diesen Sarkophag sprechen. Ich hatte mich von allem Anfang an dafür interessiert, aber als ich ihn darüber befragte, sagte er: »Eines Tages werde ich dir alles darüber erzählen, kleines Mädchen – wenn ich es erlebe! Aber jetzt nicht! Diese Geschichte, die ich dir erzählen möchte, ist so noch nie erzählt worden! Eines Tages, vielleicht sehr bald, werde ich alles wissen. Und dann werden wir sie uns gemeinsam anhören. Eine überaus interessante Geschichte, du wirst schon sehen – vom Anfang bis zum Ende!« Und einmal sagte ich, leichten Sinnes, wie ich leider zugeben muß: »Vater, wurde die Geschichte dieses Sarkophags schon erzählt?« Er aber schüttelte den Kopf und sah mich ernst an, als er sagte: »Noch nicht, mein Mädchen. Aber sie wird erzählt – wenn ich es erlebe –, wenn ich es erlebe!« Dieser ständig wiederholte Satz ängstigte mich. Ich wagte nie wieder, ihm diese Frage zu stellen.«
    Ich wurde von Erregung gepackt, und konnte doch nicht sagen wie oder warum. Doch mir war, als würde sich schließlich ein Lichtstrahl zeigen. Es gibt meiner Ansicht nach Momente, in denen das Bewußtsein etwas als wahr akzeptiert, obgleich es weder für den Gedankengang noch für Querverbindungen unter den Gedanken verantwortlich gemacht werden kann. Bislang hatten wir im Hinblick auf Mr. Trelawny und die sonderbare Heimsuchung, die ihn befallen hatte, im dunkeln getappt, so daß alles, was uns auch nur den leisesten und schwächsten Hinweis gab, uns sogleich als befriedigende und erhellende Gewißheit erschien. Und hier hatten wir gleich zwei Lichtquellen, die unser Rätsel aufhellten. Erstens nämlich, daß Mr. Trelawny mit diesem einen Stück Befürchtungen für sein Leben verband. Zweitens leitete er davon gewisse Erwartungen ab, die er, solange sie nicht erfüllt waren, nicht einmal seiner Tochter anvertrauen wollte. Wieder drängte sich einem die Tatsache auf, daß sich dieser Sarkophag im Inneren von allen anderen unterschied. Was bedeutete diese merkwürdig erhabene Stelle? Zu Miß Trelawny sagte ich nichts, denn ich wollte ihr weder Angst machen noch in ihr trügerische Hoffnungen wecken. Ich faßte hingegen den Entschluß, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit weitere Nachforschungen anzustellen.
    In unmittelbarer Nähe des Sarkophages stand ein niederer Tisch aus grünem, rotgeädertem Stein, ähnlich dem Blutstein. Die Füße waren den Pfoten eines Schakals nachgebildet, und um jedes Bein schlang sich eine aus purem Gold wundervoll gearbeitete Schlange mit offenem Rachen. Darauf ruhte ein seltsam wunderschönes Ding, Truhe oder Kasten, aus Stein gefertigt und von ganz besonderer Form. Es sah aus wie ein kleiner Sarg, bloß liefen die beiden längeren Seitenteile spitz zusammen, während der obere, waagrechte Teil abgeschnitten war. Das Ganze war ein ungleichmäßiger siebeneckiger Behälter, mit zwei Flächen auf jeder Seite, einem spitzen Ende und eine Ober- und Unterseite. Das Stück Stein, aus dem das Gebilde gehauen war, war mir dem Aussehen nach ganz unbekannt. Unten an der Basis war er sattgrün, im Ton des Smaragdes, natürlich ohne dessen Glanz. Doch war er auch nicht stumpf, weder der Farbe noch der Substanz nach. Das Material war ungemein Hart und dazu fein von der Struktur her. Die Oberfläche war ähnlich der eines Edelsteins. Die Tönung wurde nach oben hin intensiver, in unmerklichen Abstufungen, bis sie das feine Gelb des »Mandarin«-Porzellans erreichte. Ich vermutete, daß es sich dabei um das Muttergestein oder die Grundmasse eines Edelsteins handelt. Und bis auf wenige Stellen wies es feine, hervorragend ziselierte und getönte Hieroglyphen auf, ähnlich jenen am Sarkophag. Der Länge nach maß das Ding etwa zweieinhalb Fuß. Es war halb so breit und knapp ein Fuß hoch. Die leeren Stellen waren ungleichmäßig am oberen Ende verteilt und verliefen bis zum spitzen Ende. Diese Stellen wirkten weniger opak als alles übrige. Ich versuchte den Deckel anzuheben, um festzustellen, ob sie durchscheinend waren, doch es glückte nicht. Er paßte so haargenau, daß die ganze Truhe wie ein einziges Stück Stein aussah, das auf geheimnisvolle Weise von innen

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