Die sieben Häupter
bleich und mißbilligend, von Repgow stumm dabei. Immer wieder wollte der Mönch wissen, wo genau, wann genau und wie genau sie den jungen Ludger getroffen habe. Roswitha von Eichholz gab gewissenhaft Auskunft und ließ sich bei keinem Widerspruch ertappen. Als sie erneut erläutern mußte, wie ihr Verhältnis zum sächsischen Hof war, und sie Agnes als ihre Mentorin erwähnte, stieß die bis dahin stille Gräfin ein höhnisches Schnauben aus, das Roswitha erstaunt aufschauen ließ. Wußte die andere von ihrem Verhältnis zu von Aken? Sie errötete bei dem Gedanken und wandte der Frau zum ersten Mal ihre Aufmerksamkeit zu.
Sie war schön, da bestand kein Zweifel, erstaunlich jung, dabei so abgeklärt und würdevoll wie eine Statue. Und doch. Da war etwas, eine tiefe Feindseligkeit, die die Gräfin ihr gegenüber ausstrahlte, die Roswitha instinktiv spürte und die sie sich nicht erklären konnte. Der Mönch war leichter zu durchschauen, er hielt sie schlicht für eine Spionin. Tat Irmgard das auch?
»Sie hat Euch schlecht gekleidet, Eure Herzogin«, sagte Irmgard, verächtlich auf die Lumpen anspielend, in denen sie Roswitha aufgegriffen hatten.
»Ich hatte mich verkleidet, um unbemerkt fortschleichen zu können«, wiederholte Roswitha ihre Rechtfertigung.
»Ludger von Repgow scheint Ihr keine bessere Kleidung wert gewesen zu sein.« Die Stimme Irmgards troff von Hohn. Roswitha biß sich auf die Lippen. In der Tat war diese Stelle ihrer Geschichte ein wenig dünn. Warum hatte sie sich in der Zeit, die sie mit Ludger verbrachte, nicht umgezogen? War die Gräfin dabei, sie zu durchschauen?
Irmgards Augen wanderten vielsagend an ihr hinauf und hinunter und erinnerten Roswitha daran, daß sie noch immer nicht eben angemessen gekleidet war. Neben der vornehmen Frau in ihrer prächtigen lindgrünen Seidenkotte mit dem bestickten Übergewand sah sie beinahe lächerlich aus. Alles war zu groß, die Farben standen ihr überhaupt nicht, und … In diesem Moment fiel Roswitha ein, daß es Irmgard gewesen war, die ihr die Kleider hatte bringen lassen. Eike von Repgow hatte dies auf dem Weg in den Speisesaal erwähnt, damit sie sich bedanken konnte. Noch einmal faßte sie die andere Frau ins Auge, die grimmig zufrieden mit dem schien, was sie sah. Warum, überlegte Roswitha, warum war es der Gräfin von Anhalt so wichtig, daß die Geliebte Ludgers von Repgow schlecht gekleidet und unattraktiv war?
In diesem Moment hörte sie das Klimpern einer Laute. Undeutlich sah sie den Mann nahe beim Feuer sitzen, das die Mainacht in diesen kühlen Mauern noch nicht überflüssig gemacht hatte. An seiner Laute hing ein seidenes Band. Wie an Ludgers, fiel es ihr ein. Wenn sie sich recht erinnerte, war es grün gewesen, lindgrün. Jetzt drehte der Fremde den Kopf, so daß die Glut sein Gesicht beleuchtete. Seine Augen hingen schwärmerisch an der Gräfin, und seine Finger glitten wie vonselbst über die Saiten. Roswitha glaubte die Klänge eines populären Liebesliedes herauszuhören. Ich hatte nie zu hoffen gewagt, je ihre Lippen zu berühren. Waren das nicht Ludgers Worte gewesen an jenem Morgen, als sie gemeinsam durch den Wald geritten waren? Oh, sie konnte sich gut vorstellen, wie er selber so schmachtend am Kamin gesessen hatte manchen langen Abend. Armer Ludger, dachte sie spöttisch. Und zugleich: ganz beachtlicher Ludger, die Gunst einer Gräfin zu erringen. Dabei spürte sie einen leisen Stich der Eifersucht.
»Seid unbesorgt«, sagte sie in möglichst beiläufigem Ton. »Dank Eures Eifers habe ich ja nun die Tracht, die mir zusteht, nicht wahr?« Sie lächelte leicht.
Irmgard hob die Brauen. »Es gibt nichts an dieser Sache, was mir Sorge oder Eifer abringen könnte«, erklärte sie spitz.
Roswithas Lächeln vertiefte sich.
Vater Thaddäus fuhr dazwischen. »Lassen wir die Kleiderfragen. Ihr wurdet überfallen, sagtet Ihr.«
Roswitha nickte, erleichtert das Thema wechselnd und bereitwillig alle Fragen dazu beantwortend, wo und wie genau die Straßenräuber über Ludger und sie an jener Wegkreuzung hergefallen waren. Es ging dabei vor allem um die Anzahl der Kämpfer, die Position der jeweiligen Protagonisten und die Frage, wie sie vom Pferd in den Brunnenschacht hatte gleiten können. Roswitha antwortete gewissenhaft.
»Und Ludger?« Der Mönch hatte es schon viermal gefragt.
»Ich hörte ihn rufen«, antwortete Roswitha brav zum vierten Male. »›Liebste!‹« Sie nickte der Gräfin kaum merklich zu und bemerkte mit
Weitere Kostenlose Bücher