Die sieben Häupter
gar eine Laute geschenkt. Ludger wußte selbst, es war undankbar und treulos, seinem Dienstherrn zu mißtrauen.
Heinrich machte einem Pagen ein Zeichen, der ihm den Sessel zurechtrückte, und der Graf nahm darauf Platz. Seine Gemahlin setzte sich an seine Seite und schenkte den an der Tafel Versammelten ihrerseits ein Lächeln.
Irmgard von Thüringen war höchsten halb so alt wie ihr Gemahl. Der Schleier und das straffe Gebinde, welches ihr Kinn umschloß, ließen wenig vom Gesicht frei, doch die Wangen zeugten von frischer, lilienweißer Haut und natürlichem Liebreiz. Auch ihre Gewänder waren kostbar: Eine lindgrüne Seidenkotte schimmerte unter einem ärmellosen Überkleid aus dunkelgrünem Damast, das in zahllosen schmalen Falten bis auf die Füße fiel. In der Taille war es mit einem geflochtenen Gürtel aus Goldbrokat gerafft, und wer diese Taille sah, konnte kaum glauben, daß die sechs Kinder, die der Gräfin folgten, alle ihre eigenen sein sollten. Und dennoch war es so: Mit vierzehn war Irmgard mit dem Grafen von Anhalt vermählt worden, hatte ihm ein knappes Jahr später seinen Erben und in den elf Jahren seither vier weitere Söhne und ein Töchterchen geschenkt.
Ludgers Tischnachbar unterbrach seinen Vortrag abrupt, starrte gebannt zu ihr hinüber und murmelte: »Welch eine Blume der Courtoisie hier im nördlichen Ödland der barbarischen Sachsen.«
Ludger bedachte ihn mit einem Stirnrunzeln. Er schätzte es nicht, wenn man ihn als Barbaren und seine Heimat als Ödland bezeichnete. »Ich bin beglückt, daß Ihr die Halle, wo man Euch aufnahm, für würdig befindet, Herr Gottfried«, erwiderte er ein wenig steif.
» Touché .« Der Dichter lächelte reumütig. »Welche Farbe hat ihr Haar?«
»Blond. Wie gesponnenes Gold.«
Gottfried hob den Becher, welchen sie teilten, an die Lippen. »Woher wißt Ihr das so genau?« fragte er und trank.
»Es ist die Farbe ihrer Wimpern und Brauen.«
»Verstehe. Nun, ich bin überzeugt, das grüne Seidenband an Eurer Laute paßt hervorragend zu Haar aus gesponnenem Gold.« Er wies auf das Instrument, das hinter Ludgers Platzan der Wand lehnte, und grinste anzüglich. »Werdet Ihr mir nach dem Essen etwas vorspielen?«
»Nein, lieber nicht. Ich bin noch nicht besonders gut.«
»Und bescheiden«, erkannte Gottfried überrascht. »Eine Eigenschaft, die man in unserem Beruf nur höchst selten antrifft.«
Ludger nahm ihm den Becher ab, trank ebenfalls und versteckte seinerseits ein Grinsen. Dieser Gottfried kannte seine eigenen Schwächen, das mußte man ihm lassen.
Unter vernehmlichem Raunen wurden Lammbraten und Speckpfannkuchen aufgetragen. Eine Weile widmeten sich alle den lang entbehrten Gaumenfreuden, doch als der ärgste Hunger gestillt war, erwachte die Neugierde des Fremden wieder. »Das ist also der gefürchtete Heinrich von Anhalt, der sich gegen den Staufer gestellt hat, der seinem Bruder, dem Herzog, und sogar dem mächtigen Erzbischof von Magdeburg das Leben schwermacht. Ist es wirklich wahr, daß er den Abt vom Kloster Nienburg hat blenden lassen?«
»Hm.« Ludger nickte. »Und wo er gerade dabei war, hat er ihm auch gleich noch ein Stück der Zunge abschneiden lassen.«
»Warum?«
Ludger hob gleichmütig die Schultern. »Ich nehme an, der Abt hatte irgendwas gesagt, was der Graf nicht hören wollte. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Es geschah vor vier Jahren, lange bevor ich herkam.«
Der Gast wischte versonnen sein Speisemesser am Tischtuch ab. »Und die acht Bälger an der hohen Tafel sind alle seine?«
»Nur sechs. Die kleinen Blonden sind Otto und Johann von Brandenburg.«
»Ah. Die markgräflichen Waisenknaben.«
»Ihr kennt Euch gut aus, Herr Gottfried.«
»Und der Fettkloß ist der Erstgeborene und seines Vaters ganzer Stolz?«
Ludger verzog das Gesicht und nickte. »Heinrich. Alle nennen ihn Henner. Alle außer seiner Mutter, die ihn verabscheut. Aber der Graf findet großen Gefallen an seinem Sohn, da habt Ihr völlig recht. Vermutlich, weil auch Henner zu denen zählt, die sich unbequemer Menschen am liebsten mit einer scharfen Klinge entledigen würden.«
Gottfried richtete sich auf und betrachtete ihn mit hochgezogenen Brauen. »Ihr habt eine lose Zunge, wenn Ihr mir die Bemerkung verzeihen wollt, Ludger von Repgow.«
»O ja. Ich weiß. Mein Onkel wird nie müde, mich ob der unabsehbaren Folgen zu warnen.«
Der Dichter winkte ab. »Ich hingegen beglückwünsche Euch zu Eurem Scharfblick. Eine wichtige Gabe in unserem
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