Die sieben Schätze des Yoga
geht es vielen Menschen, die Yoga unterrichten, und eigentlich ist es auch gar keine schlechte Idee, Yoga in Teilzeit zu lehren. Dann sind wir nicht verpflichtet, unseren Lebensunterhalt damit zu verdienen. Vielmehr werden wir unsere Leidenschaft ( passion ) mit anderen teilen wollen – und es entspringt deinem Mitgefühl ( compassion ), teilen zu wollen. Es ist interessant, das »compassion« eigentlich zwei Worte sind, macht aber Sinn, weil wir ja ein leidenschaftliches Interesse daran haben, dass Menschen sich gesund und wohlfühlen. Das ist die Leidenschaft, die viele Menschen entwickeln, sobald sie mit dem Yoga in Kontakt kommen und darüber ihr Verbundensein mit dem Lebendigen entdecken. Und dann dauert es meist nicht lange, bis sie diese Begeisterung und ihre guten Erfahrungen mit anderen teilen wollen.
Sri T. Krishnamacharya (1888–1989) war eine der bedeutendsten Yogapersönlichkeiten Indiens. Er war der Lehrer von T. K. V. Desikachar, B. K. S. Iyengar und Pattabhi Jois, die alle weltweit bekannte Unterrichtsstile begründeten. (Mehr über ihn und seine Schüler ab > .)
Was ist das Herzstück deiner Yogalehre?
Das Herz der Yogalehre ist sicherlich, jedem Menschen zu ermöglichen, sich wirklich zutiefst und in jeder Hinsicht mit seinem Leben verbinden zu können. Natürlich ist ja eigentlich jeder dem Leben schon vollkommen verbunden, denn er lebt ja, und das Leben – was auch immer man darunter verstehen mag: Prana, die Lebenskraft, der göttliche Funke oder Ähnliches – wirkt durch ihn hindurch. Dazu gehört auch das, was der Yoga die Quelle des Lebens nennt, woraus die Kulturen die unterschiedlichen Konzepte von Gott entwickelt haben. Wir können also gar nicht vom Leben getrennt sein, aber unser Geist hat in seiner Unruhe Zweifel gesät, sodass wir meinen, abgeschnitten und getrennt zu sein von dem, was uns eint und was uns nährt – von unserem Urgrund, unserer Quelle.
Der Yoga will uns helfen, den Geist zu klären und die Zweifel zu beseitigen, damit wir uns wieder mit der lebendigen Kraft in uns verbinden können.
Ein weiteres Herzstück meiner Yogalehre ist, dass die Übungspraxis dem Individuum angepasst werden muss. Sie sollte einfach sein, und es sollte leichtfallen, sie zu üben, denn nur so kommt man schnell in die unmittelbare Erfahrung dessen, was Yoga ist. Mir persönlich ist diese unmittelbare Erfahrung besonders wichtig. Ich halte gar nichts davon, zum Zeugen oder Beobachter des eigenen Lebens und Daseins zu werden! Im Yoga geht es meiner Ansicht nach vielmehr darum, dass wir unsere Erfahrungen umarmen und mit ihnen verschmelzen. Wenn wir mit etwas verschmelzen, dann gibt es keine Trennung mehr zwischen mir und dem anderen – meiner Erfahrung, meinem Gedanken, meinem Gefühl –, und daraus erwächst mir eine intime Kenntnis dieses »anderen«. Das ist genau die Weise, wie Krishnamacharya die Definition von Yoga in Patañjalis Yoga-Sutra interpretiert hat: Für ihn bedeutete citta vritti nirodhah, ganz mit dem Objekt der eigenen Wahl zu verschmelzen. Vielfach wird nirodha mit wählen übersetzt, und damit ist gemeint, dass der Geist durch die konkrete Wahl, durch eine bestimmte Ausrichtung, in seiner Unruhe gebändigt werden soll. Aber Krishnamacharya sagte: »Nein, das ist nicht Yoga. Yoga ist nicht, den Geist zu bändigen, sondern Yoga ist, sich für eine bestimmte Richtung zu entscheiden und dieser dann kontinuierlich zu folgen.«
Der Zeuge oder Beobachter: Im Yoga gibt es das Übungskonzept, zum neutralen Beobachter oder Zeugen seiner Gedanken, Gefühle und seines Handelns zu werden. Aus dieser distanzierteren Position heraus soll man besser verstehen können, welche Denk-, Gefühls- und Handlungsmuster einen beherrschen – damit sei der erste Schritt getan, sie zu verändern.
Gibt es ein Asana oder Pranayama, das dir in deiner Übungspraxis ganz unverzichtbar ist?
Da ich es so wichtig finde, dass jeder Mensch seine eigene, auf seine aktuellen Bedürfnisse zugeschnittene Übungspraxis entwickelt, kann ich mich natürlich nicht auf irgendein Asana oder Pranayama festlegen. Aber es gibt ein Prinzip des Übens, das ich unverzichtbar finde, und zwar, dass die Bewegung des Körpers dem Atem dient. Schließlich besteht doch einer der größten Schätze unserer Yogapraxis darin, eins mit unserem Atem zu werden. Und nur dann kann ich in einem Asana in den Zustand des Verbundenseins und der Einheit kommen. Sehr hilfreich dafür ist auch das Üben von Bewegungsabläufen
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