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Die sieben Weltwunder

Die sieben Weltwunder

Titel: Die sieben Weltwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Thiele
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einhundertzwanzig Meter breiten Euphrat gelegen, nach Norden, Osten und Süden hin befestigt war, und zwar durch Mauern und einen achtzig Meter breiten Wassergraben. Nach Westen schützte der Euphrat und der Wall, der die Stadt in Sicherheit brachte, wenn der Strom Hochwasser hatte. Spätestens unter Nebukadnezar griff die rasch wachsende Weltstadt Babylon über den Fluss; auf der Westseite des Euphrat entstand eine Neustadt. Und auch dieser Stadtteil musste mit Mauern umgeben und gesichert werden. So entstand ein Festungsviereck, durch das der Euphrat hindurch floss.
    Darüber hinaus aber wurde noch weiter draußen eine Außenmauer gebaut, welche die östlichen Vorstädte und vielleicht auch noch bebautes Freiland umschloss, wohl um im Fall von Krieg und Angriff als riesige Fluchtburg dienen zu können.
    Die Mauer bestand aus zwei parallelen Wällen, die in regelmäßigen Abständen durch Türme verstärkt waren, was die Beobachtung des herannahenden Feindes ermöglichte, ohne sich selbst zu zeigen. Ein Feind, der die Mauer erklimmen oder mit Leitern übersteigen wollte, wäre leicht von oben zu bekämpfen. Gelänge es ihm dennoch, die erste Mauer zu nehmen, die außerdem noch von tiefem Wasser umgeben und geschützt war, fände er sich in einer Art Graben zwischen beiden Mauern gefangen und wäre dem Stein- und Pfeilhagel hilflos ausgesetzt.
    Herodot zufolge waren die Türme einhundert Meter hoch und besaßen zusammen mit der Mauer einen Durchmesser von fünfzig Metern. Doch wie bei der Gesamtlänge täuschte er sich auch in diesem Fall: Die Ausgrabungen zeigten, wie übertrieben diese Schilderungen waren. Nach vorsichtigen Berechnungen konnten die Türme höchstens dreißig Meter hoch gewesen sein, bei einem Durchmesser von achteinhalb Metern.
    Wie Herodot haben auch andere Schriftsteller bewundert, dass die Stadtmauern von Babylon so breit waren, dass auf der Mauerkrone Streitwagen fahren und wenden konnten. Auf der Höhe der Befestigungsmauer, hinter Zinnen und Schutzbrüstung, war ihren Schilderungen zufolge genügend Platz, so dass die Gespanne, ohne sich dabei zu behindern, sogar aneinander vorbeijagen konnten. Die Verteidiger konnten, wo immer es einem Belagerer gelingen mochte, die Mauer überraschend zu erklimmen, von den Türmen aus vierspännige Streitwagen (sogenannte Quadrigen) heranführen.
    Die Ausgrabungen haben die Berichte der antiken Autoren, was die angegebenen Umfänge und Höhen der Mauer anlangt, bestätigt. Die Ufermauern am Euphrat waren acht bis zehn Meter dick, die Befestigungswälle um die Innenstadt herum 17,5 Meter, die Außenmauern gar 27 bis 30 Meter stark. Robert Koldewey hat die Konstruktion der Wälle genau untersucht: Innen und außen waren sie hochgemauert, der Zwischenraum wurde mit Schutt und dem Lehm vom Grabenaushub aufgefüllt. Auf diese Weise entstand eine breite Krone, auf dem Wall hinter den schützenden Türmen, Zinnen und Brüstungen ein Fahrweg von mehr als zwölf Meter Breite, den der Belagerer nicht einsehen konnte – tatsächlich also genügend Platz für die vierspännigen Kampfwagen der Verteidiger.
    Um das Jahr 600 v. Chr. war mit der Errichtung der Mauer begonnen worden. Ein halbes Jahrtausend später, also noch vor Christi Geburt, war sie nur noch eine Schutthalde, ein riesiger Ziegelsteinbruch, den man nach Kräften ausbeutete, um Baumaterial zu beschaffen. Aus der Vogelperspektive dürfte die Festungsmauer immer noch ein imponierendes Bild ergeben haben, doch das einst festgefügte Mauerwerk war längst zerbrochen. Überall klafften Lücken, Hügel und Bodenwellen waren entstanden, die immer mehr zusammensackten, an vielen Stellen ganz verwehten. Gleichwohl mag man sich fragen, wie es möglich sein kann, dass eine Festungsmauer, die in einem Atemzug mit den Pyramiden genannt wurde, fast spurlos verschwindet, so dass sie erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts mühsam wieder identifiziert werden konnte.
    Zweieinhalbtausend Jahre hat die Natur Zeit gehabt, die Ruinen des einst blühenden Babylon zu überwältigen. Die Sprache der Geschichtsschreibung schildert solches Geschehen dramatisch und bildhaft: Eine Festung wird »geschleift«, eine Stadt »sinkt in Trümmer«, »in Schutt und Asche«, sie wird »dem Erdboden gleichgemacht«. Früher hat kaum jemand daran gedacht, Ruinen als Zeugnisse vergangener Größe zu achten oder gar zu erhalten.
D IE E ROBERUNG B ABYLONS
    Groß schien Babylon und allmächtig sein König. Das Volk der Juden war eingesperrt, Ägypten

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