Die sieben Weltwunder
über seine Schlachten und Siege zu lesen war. Unter größten Mühen kopierte Rawlinson eigenhändig Tausende von Zeichen und hoffte, durch Sprach- und Schriftvergleich die immer noch unlesbare Schrift der Babylonier enträtseln zu können. Aber erst sechs Jahre später konnten Gelehrte den mit hundertelf verschiedenen Zeichen verwirrenden elamischen Text übersetzen.
Die Enträtselung der komplizierten, dreidimensionalen babylonischen Keilschrift gelang allerdings immer noch nicht. Man fand zwar fünfhundert verschiedene Kombinationen von Keilschriftzeichen, aber kein Alphabet.
In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts begannen mehrere Forscher mit den Ausgrabungsarbeiten an verschiedenen Orten. Doch erst um die Jahrhundertwende gelang es, ganze Stadtviertel und Tempelkomplexe freizulegen und methodisch zu erforschen – die deutschen Forscher Robert Koldewey in Babylon und Uruk sowie Walter Andrae in Assur waren Pioniere.
Noch immer ruhen riesige ungehobene Schätze in dieser Erde, noch immer sind viele Probleme ungelöst.
D AS B ABYLON N EBUKADNEZARS
Im Jahr 587 v. Chr. stellte sich Nebukadnezar II., König von Babylon (605–562), an die Spitze seines Heeres, um Israel, die ehemalige assyrische Provinz, zu erobern. Stolz ließ er niederschreiben: »Nebukadnezar, der Günstling des Marduk, der erlauchte Priesterfürst, der Prophezeite, der erstgeborene Sohn Nabupolassars, des Königs von Babylon, bin Ich.«
Jeremia, der Mann aus Juda, hatte prophezeit: »Weh dir, Jerusalem. Ich habe gesehen deine Ehebrecherei, deine Geilheit, deine freche Hurerei, deine Greuel auf Hügeln und Äckern. So spricht zu mir der Herr: Ich will sie heimsuchen mit dem Schwert, das sie erwürgt, und mit Hunden, die sie fortschleifen. Ich will sie vertreiben aus diesem Lande, stoßen in ein Land, davon weder ihr noch eure Väter gewußt haben. Siehe, ich gebe diese Stadt in die Hand Nebukadnezars, des Königs zu Babel. Und die Chaldäer werden hereinkommen und sie mit Feuer anstecken und verbrennen.«
Anfangs hatte Nebukadnezar nach altbabylonischer Tradition ein Friedensherrscher sein wollen. Doch führte er im Laufe seiner dreiundvierzigjährigen Regierungszeit endlose Kriege. Seine Gegner waren immer wieder Assyrien, Syrien und vor allem Palästina. Das babylonische Heer zerstörte die heilige Stadt Jerusalem und seinen Tempel, schlachtete einen Teil der jüdischen Einwohner regelrecht hin. Nebukadnezar selbst stach dem König von Juda die Augen mit einem goldenen Dolch aus und führte das jüdische Volk, von dem er sich Nutzen versprach, in die »babylonische Gefangenschaft«. Es wurde behauptet, Nebukadnezar habe seine vielen Kriege nur deshalb geführt, um billige Arbeitskräfte für den aufwendigen und kostspieligen Ausbau seiner Stadt Babylon zu bekommen.
Von seinen siegreichen Kriegszügen brachte er kostbare Beutestücke mit. Rasch wuchs Babylon zu einem wichtigen Handelszentrum heran: Es kamen Purpur aus Phönizien, Weihrauch aus Arabien, Teppiche und Edelsteine aus Persien, Silber aus Spanien, Kupfer und Gold aus Ägypten und Gewürze und Elfeinbein aus Indien.
Nebukadnezars erklärtes Ziel war es, Ninive, die große Konkurrenzstadt im Norden, an Glanz und Macht zu übertrumpfen. Die Juden sahen den Ruhm und die Pracht und den Reichtum Babylons, der »himmlischen Stadt« am Euphrat, die für sie zum Gefängnis geworden war. Sie sahen die Tempel und hörten die Gebete. Sie sahen das Schloss des Königs mit seinen zahllosen Räumen und dem riesigen, neunhundert Quadratmeter großen Thronsaal – Mittelpunkt und Heiligtum der weltlichen Macht. Sie sahen das Museum, in dem der König die Denkmäler der Vergangenheit Babylons und die Beutestücke aus fremden Ländern sammelte. Sie hörten die Glocken der Tempel läuten, wenn die Karawanen der Kamele und Pferde, mit Rubinen, Purpur, Teppichen, Korallen und Perlen, mit Gold und kostbaren Spezereien beladen, an den Stadttoren eintrafen. Und sie sahen, gleich einem Traum, vor dem Hintergrund der endlos weiten und heißen Wüste in flirrender Luft die »Hängenden Gärten« – ein unerreichbares Paradies, ein zweiter Garten Eden, der ihre Phantasie und die unzähliger Generationen bis heute entzündete.
D IE HIMMLISCHE S TADT
Wie mit den anderen Weltwundern beschäftigte sich der berühmte Barockbaumeister Johann Fischer von Erlach auch mit Babylon. In seinem 1725 in Wien veröffentlichten »Entwurf einer historischen Architektur« versuchte er, nach den Angaben antiker
Weitere Kostenlose Bücher