Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die sieben Weltwunder

Die sieben Weltwunder

Titel: Die sieben Weltwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Thiele
Vom Netzwerk:
Autoren ein exaktes Stadtbild zu rekonstruieren. Sein Babylon macht den Eindruck einer sich in gewaltigen Ausmaßen hinstreckenden Stadt, deren schiere Größe alles übertraf, was die Antike an Siedlungen zu bieten hatte.
    Babylon, die »himmlische Stadt«, mit zwei Heerstraßen, drei Kanälen, acht Stadttoren und vierundzwanzig Straßen, mit dreiundfünfzig Heiligtümern der großen Götter und mit hunderten Kultstätten für Ischtar sowie die sieben Geister des Himmels und die sieben Götter der Erde, wurde überragt vom Tempel des Marduk, des Gewaltigsten unter den Göttern. Besonders berühmt waren die Paläste des Königs, die Mauern der Stadt und die Hängenden Gärten, die man zu den Sieben Weltwundern zählte.
I SCHTAR UND IHR K ULT
    So sprach Ischtar, Babylons große Göttin der Liebe und des Todes, zum König: »Ich will dich schützen, wie eine Mutter ihre Kinder schützt, ich will dich zwischen meinen Brüsten bergen wie ein Schmuckstück an meiner Kette.« Und der König sprach zu seiner Stadt: »Wie mein kostbares Leben liebe ich dich, Babylon! Die Könige aller Weltteile und die ganze Menschheit mögen dir Tribut zollen. Mögest du dauern bis in alle Ewigkeit.«
    In der Gestalt der Ischtar finden sich die Göttinnen verschiedener Völker und Kulturen miteinander verschmolzen, von denen die sumerische Göttin Inanna die bedeutendste war. Ischtar war die inspirierende Lebensund Liebesgöttin schlechthin, eine Schützerin von Geburt und Familienleben, aber auch eine Verfechterin von Verführung, sexueller Orgiastik und Promiskuität. Mit ihren exzessiven Fruchtbarkeitskulten war die Tempelprostitution verbunden, die Israel ein besonderer Dorn im Auge war und Babylon den Ruf des »Sündenbabels« eintrug.

    Das Ischtar-Tor in Babylon. Ansicht von Norden, beim Eintritt in die Stadt. (Rekonstruktion von R. Koldewey)
D AS I SCHTAR -T OR
    Mitten durch Babylon führte die Prozessionsstraße, flankiert von lebensgroßen Fabeltieren. Dort beteten in den Tagen des Ischtar-Festes bis zu eine Million Frauen und Männer, wie Herodot berichtet, am Ischtar-Tor, das mit Hunderten vielfarbiger Stier- und Drachenfiguren geschmückt war.
    Unter sengender Hitze dehnte sich die Stadt aus – auf den Rekonstruktionen hat man den Eindruck einer riesigen Garnisonsstadt, in die man durch riesige Tore gelangte – Tore als Symbole elementarer Lebenserfahrung, Sinnbilder der Vagina. In Babylon veranschaulichen die sakralen Tore den Eingang in das irdische Leben; geöffnet symbolisieren sie die Mysterien von Sexualität, Fruchtbarkeit und Geburt, des Eingangs in die Welt des Göttlichen, des Eintretens in den heiligen Raum.
    Das blaue Ischtar-Tor – dessen farbenprächtige Rekonstruktion im Pergamon-Museum in Berlin bewundert werden kann – zählte zu den schönsten und bedeutendsten Bauwerken Babylons und öffnete zusammen mit sieben weiteren Toren das unüberwindliche Mauerwerk: »Die Symbolbeziehung zwischen umgrenzter Stadt, schützendem Kollektiv und bergendem Mutterleib ist evident. Die Stadtmauer besaß neben ihrem schützenden Aspekt auch eine magische Dimension, eine Abwehrfunktion gegen Dämonen und dunkle Mächte. Die Weihe der Tore an Gottheiten erheilt hierbei eine besondere Bedeutung. So verdeutlichte das Ischtar-Tor allein durch seine geographische Ausrichtung nach Norden den schützenden und bergenden Aspekt der Göttin. In der astralen Symbolik verweist die nördliche Himmelsrichtung auf den nächtlichen Bezirk und damit auf die Herrschaft der Göttin über die Nacht und den Mond … Eine sanft ansteigende, großzügig mit Kalksteinen gepflasterte Prozessionsstraße führte zum Ischtar-Tor, dem Ort bedeutender Zeremonien und Festlichkeiten. Seine Außenmauern waren über und über mit Reliefs aus vorwiegend blaugrundig glasierten, farbig emaillierten Ziegeln geschmückt« (Jutta Ströter-Bender).
D ER T URM ZU B ABEL – EIN ÜBERGANGENES W ELTWUNDER ?
    Warum wurde dieses gewaltige Tor, warum wurde auch der Turm von Babel, den die biblische Geschichte als ein Sinnbild menschlicher Anmaßung erwähnt, in der Liste der Weltwunder übergangen? Auf den ersten Blick mag es verwunderlich erscheinen, doch es lässt sich leicht erklären: Die älteste uns bekannte Liste der Weltwunder ist erst nach dem Tod Alexanders des Großen entstanden. Der Turm von Babel war zu dieser Zeit bereits vom Erdboden verschwunden. Alexander hat den Turm, den Herodot – zweihundert Jahre vor ihm – noch gesehen hatte, schon als

Weitere Kostenlose Bücher