Die sieben Weltwunder
EUS -S TATUE
Das großartige Bildnis des Zeus in Olympia ist oft beschrieben, der Ort, an dem es aufgestellt war, zentimetergenau vermessen worden.
Das Kultbild selbst, das alle anderen an Größe und Reichtum übertroffen haben muss, da man es zu den Sieben Weltwundern zählte, »für griechische Begriffe wohl das herrlichste und ergreifendste aller Weltsehenswürdigkeiten« (Theodor Dombart), eine hohe Plastik aus Gold und Elfenbein, ist spurlos verschwunden.
Die Maße der thronenden Zeus-Gestalt waren aus den Resten des Sockels und den Abmessungen des Tempels ziemlich genau zu berechnen: mindestens siebenfache Menschengröße. Für den sitzenden Zeus standen somit zwölf bis dreizehn Meter zur Verfügung; dies stimmt mit den zeitgenössischen Schilderungen überein. So können wir uns nach der Beschreibung des Geographen Pausanias, der zur Zeit des Kaisers Hadrian lebte, eine ziemlich genaue Vorstellung von dieser Statue machen, die den Barockbaumeister Johann Fischer von Erlach und andere zu Rekonstruktionen inspirierte.
Als Phidias nach Olympia kam, war er bereits ein berühmter Mann. In seiner Heimatstadt Athen hatte er sich durch zahlreiche Skulpturen einen Namen gemacht, nicht zuletzt durch zwei bekannte Bildnisse der Göttin Athene. Er fungierte nicht nur als Leiter der Bauarbeiten auf der Akropolis, sondern schuf auch ein 159 Meter langes Fries im Parthenon-Tempel, ein monumentales Bildwerk, das Menschen in der extremen Situation kriegerischer Schlachten zeigte: Gesichter voller Siegesgewissheit, Wut und Angst, triumphierende Feldherren, sterbende Kämpfer.
Die Zeitgenossen brachten Phidias ungeteilte Bewunderung entgegen. Er galt unbestritten als der größte Künstler seiner Zeit. Und er war die perfekte Besetzung für den größten Auftrag, der in Griechenland zu vergeben war.
In Olympia ging Phidias systematisch vor. Er war Realist genug, um einzuschätzen, dass für die Kultstatue kaum weniger als zehn Jahre zu veranschlagen waren. Ein Bau im Tempel selbst, der ja der Öffentlichkeit zugänglich bleiben musste, kam nicht in Frage. Der Tempel konnte über einen solch langen Zeitraum nicht einfach abgesperrt werden. Also richtete sich Phidias nicht weit entfernt eine Werkstatt ein. Zunächst bildete er ein maßstabgerechtes Modell, nach dem er dann mit seinen Gehilfen die Einzelteile der Statue schuf, die später im Tempel zusammengesetzt werden sollten.
Zunächst war ein perspektivisches Problem zu lösen. Mit seinen zwölf Metern sollte das Standbild die volle Höhe des zweigeschossigen Heiligtums einnehmen. Die Betrachter sollten die Möglichkeit haben, vom Boden staunend zu dem Gott hinaufzuschauen oder ihn von der Galerie in Kopfhöhe zu betrachten. Von beiden Positionen aus wollte Phidias die gleiche Wirkung erzielen. Schließlich sollte die Statue nicht allein durch ihre kolossalen Ausmaße beeindrucken, sondern ein Erschauern vor der Majestät dieses Gottes bewirken.
Querschnitt des Zeus-Tempels. Die Cella war mit dem Kultbild des Phidias vollständig ausgefüllt
.
Üblicherweise wurden die Götter aufrecht und ausschreitend dargestellt. Phidias entschied, Zeus in erhabener Haltung auf einen Thron zu setzen. Ein Herrscher voller Kraft und Ruhe, würdig, streng und unnahbar sollte er sein. Aber auch fürsorglich wie ein Vater und den Menschen ein verständnisvoller Freund.
Phidias gelang ein wahres Kunststück. Die Betrachter waren so überwältigt vom Anblick ihres Gottes, dass man glaubte, der Bildhauer selbst habe Zeus geschaut: »Dir entweder ist Zeus vom Himmel herniedergestiegen, oder du stiegest hinauf, Künstler, und sahest den Gott!«
Prunkvoller Glanz umgab die Gestalt im Halbdunkel des Heiligtums. Ehrfurcht gebietend saß Zeus auf einem Thron aus Ebenholz und Elfenbein, der auf einem mächtigen Postament stand, geschmückt von einer von Helios und Selene angeführten Reihe der olympischen Gottheiten, wie ein Familienbild des Olymps.
Der Thron war mit Gold und Edelsteinen besetzt. Goldene Sphinxe bildeten die Armlehnen des zehn Meter hohen Prunksessels. Der Schemel, auf den sich seine Füße stützten, wurde von zwei goldenen Löwen getragen. Der Kopf des Zeus, mit einem Kranz aus Ölzweigen umrankt, soll die Rückenlehne um zweieinhalb Meter überragt haben. Zu Zeus’ Füßen tanzten Siegesgöttinnen, sein Haupt umschwebten Chariten und Horen.
Das Antlitz, die Brust und der entblößte Teil des Körpers wie auch die Füße waren aus Elfenbein, um den Eindruck von nackter
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