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Die siebte Gemeinde (German Edition)

Die siebte Gemeinde (German Edition)

Titel: Die siebte Gemeinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Link
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mit den Fingern zwei Anführungszeichen in die Luft, »Herrensitz-Domizil.«
    »Wer?«
    »Alfons Liebig, der Bauunternehmer. Mandant von mir. Liebig hat sich hier in Hahnwald ein bescheidenes Denkmal gesetzt. Ist aber eigentlich nicht so wichtig.«
    Elias verlangsamte die Fahrt und deutete auf ein mit roten Klinkern besetztes Häuschen, das versteckt hinter einer Reihe von Linden stand. »Da vorne wohnt Gustav.«
    Bei dem Haus handelte es sich um einen schlichten quadratischen Kasten mit einem einfachen Turm auf der linken Seite. Im Gegensatz zu den anderen Villen der Straße wirkte Gustavs Haus nicht so protzig, was dem Gebäude einen liebevollen Charme verlieh. Von der Straße her führte eine lange Hofeinfahrt aus Pflastersteinen, die links und rechts mit weißen Kieselsteinen umrandet wurden, unmittelbar vor die Haustür. Auf dem gesamten Gelände um das Haus standen Behälter aus Terrakotta. Emma zählte auf die Schnelle sieben Stück, allesamt hüfthoch, aufgrund der Witterung noch unbepflanzt. Links auf der Wiese lagen drei alte Wagenräder vor einem Haufen Findlinge, ein mittelalterlicher Pflug stand etwas weiter hinten auf dem Areal.
    Emma pfiff anerkennend. »Wenn das Aussehen von Gustav Heinrich nicht ansatzweise meiner Vorstellung eines Historik Professors entspricht, dann trifft dieses Haus haargenau das Klischee.«
    »Warte erst, bis du seine Inneneinrichtung siehst«, grinste Elias, »dann bist du vollkommen durcheinander.«
    Es dauerte eine Weile, bis sich nach ihrem Klingeln etwas tat. Elias versuchte, durch die Milchglasscheibe einen Blick nach innen zu werfen.
    »Ich sehe einen Schatten«, informierte er Emma, und gleich darauf hörten sie ein zweimaliges Klicken. Langsam wurde die Tür geöffnet. Gustav Heinrich spähte heraus.
    Die Stirn des Professors war von einer weißen Mullbinde umwickelt. Seine Augen wirkten eingefallen und seine Haut aschfahl. Selbst die rote sportliche Brille sowie seine vollen braunen Haare, die strähnig über das Mull-Stirnband herum fielen, konnten nicht über sein tatsächliches Alter hinwegtäuschen. Der dunkelblaue Hausanzug, der schlaff an seinem Körper herabhing, verbesserte den Anblick nicht zu seinen Gunsten.
    »Kommt doch herein«, lächelte Gustav Heinrich gezwungen und trat einen Schritt zurück. »Ich habe schon gewartet.«
    Elias schüttelte dem Professor die Hand. »Mensch, Gustav, wie geht es dir?«, fragte er ehrfürchtig und deutete mit dem Zeigefinger auf dessen Kopfverletzung.
    »Ach, das ist halb so wild«, antwortete Gustav und schüttelte, diesmal mit einem offeneren Lächeln, Emmas Hand. »Der emotionale Schmerz sitzt wesentlich tiefer als der körperliche.«
    »Folgt mir bitte.« Der Professor schloss die Haustür hinter seinen Gästen und führte sie in das Turmzimmer.
    Emma warf einen Blick zurück in den Eingangsbereich, den sie viel zu kurz würdigen konnte. Die Ritterrüstung in der Mitte der Diele hatte sie in den Bann gezogen. Links und rechts wurde die Rüstung von zwei mächtigen Eichentruhen flankiert, an denen an der einen eine Streitaxt und an der anderen ein Speer lehnte. Um ein Haar wäre sie gegen Elias gerannt, der vor dem Eingang des Turmzimmers stehen geblieben war.
    »Oh, entschuldige«, sagte sie und gab ihm einen Schubs hinein.
    Auf einem runden Eichentisch in der Mitte des Zimmers standen auf einem Tablett zwei große Thermoskannen, daneben drei Teegläser sowie drei Kaffeetassen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches lagen drei alte Dokumente, fein säuberlich in Klarsichtfolien verpackt. Daneben ein Stapel Blätter, die von oben bis unten mit Anmerkungen beschrieben waren sowie ein dickes Buch. Ansonsten war das Zimmer spärlich ausgestattet. Der monströse Tisch nahm den gesamten Raum in Anspruch, sodass kaum Platz für Accessoires blieb. Lediglich auf den Fensterbänken fristeten zwei Sukkulenten ihr Dasein.
    »Kann ich euch etwas anbieten?«, fragte der Professor. »Elisabeth hat uns eine Kanne Tee und Kaffee vorbereitet. Sie wusste nicht, was ihr mögt.«
    »Können Sie mir sagen, wo ich meine Jacke aufhängen kann?«, fragte Emma und blickte sich im Raum um.
    Der Professor schlug sich leicht gegen seine Stirn. »Oh, mein Gott, wo habe ich meine Manieren gelassen?« Er schlurfte um den Tisch herum. »Warten Sie, ich hänge Sie Ihnen an die Garderobe. Der Überfall hat mich mehr aufgeregt, als ich dachte«, fuhr er fort, als er wieder aus der Diele zurückgekehrt war. »Heute Morgen habe ich mich echt

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