Die siebte Gemeinde (German Edition)
bescheiden gefühlt, kann ich euch sagen.«
Elias lächelte spöttisch. »Du siehst auch echt bescheiden aus, wenn ich das sagen darf.«
»Setzt euch«, sagte der Professor und wies einladend über den Tisch hinweg. »Sucht euch ein gemütliches Plätzchen. Kaffee? Tee?«
Emma winkte ab. »Danke, Herr Professor, meine letzte Tasse Kaffee liegt mir noch schwer im Magen, später komme ich gerne auf ihr Angebot zurück.«
»Sie hat einen Kater«, scherzte Elias. »Ich würde einen Kaffee bevorzugen.«
Gustav lachte. »Wenn es Kopfschmerzen gegeben hat, dann hat sich die Feier wenigstens gelohnt. Soll ich ein Wasser holen?«
Emma schüttelte den Kopf, nicht ohne Elias einen bösartigen Blick zuzuwerfen. »Nein danke, Herr Professor.«
»Gustav. Nennen Sie mich bitte, Gustav. Das wäre mir viel lieber.«
»Gerne.« Emma huschte ein Lächeln übers Gesicht. »Ich bin Emma.«
»Wie ich sehe, warst du schon fleißig«, begann Elias und deutete über den Tisch, »und hast die anderen beiden Dokumente aus dem Safe geholt.«
»Du weißt, dass ich nicht widerstehen konnte«, freute sich Gustav. »Überfall hin oder her, solche Funde schiebt man nicht auf die lange Bank. Wenn sich für einen alternden Professor die Möglichkeit bietet, ein historisches Dokument als Erster übersetzen zu dürfen, dann sollte man zuschlagen.« Er setzte sich auf den Stuhl vor seine Unterlagen.
Emma und Elias begaben sich auf die gegenüberliegende Seite.
»Wer fängt an?«, fragte Elias, kramte aufgeregt seine Aufzeichnungen aus der Jacke und fuchtelte damit in der Luft herum. »Wir haben nämlich ebenfalls ein paar Sachen herausgefunden.«
Der Professor legte seine Stirn in Falten und blickte auf Elias’ Notizen. »Was ist das?«
»Die Hinweise von Matteo«, sagte Elias. »Der Grund, warum wir überhaupt auf diese Dokumente gestoßen sind. Ich hatte dir doch davon erzählt.«
»Ach ja, Matteo. Den hatte ich vollkommen vergessen. So langsam sollte ich mir über meinen Zustand Gedanken machen.«
»Wie konnte das eigentlich passieren?«, fragte Elias und blickte über seine Schulter hinweg ins Haus. »Den Überfall mein ich. Gestohlen scheint ja nichts zu sein.«
»Das kann ich mir auch nicht erklären. Nichts fehlt. Nicht einmal den Fernseher hat der Typ mitgenommen. Dabei habe ich mir vor Wochen so einen neumodischen LCD-Kram aufschwatzen lassen.«
»Der Typ?«, fragte Emma überrascht. »Das heißt, du konntest erkennen, wer dich überfallen hat.«
»Ich nehme es zumindest an. Es klingelte morgens an der Tür, und ein Paketzusteller stand dort. Dunkelblaue Uniform, Schirmmütze ins Gesicht gezogen. Als er mich bat, einen Stift für die Unterschrift zu besorgen, traf mich im Wohnzimmer ein Schlag. Man kann wohl davon ausgehen, dass es dieser Paketzusteller war. Aufgewacht bin ich erst wieder, als mich Elisabeth gefunden hat.« Er schüttelte verärgert den Kopf. »Dabei hätte ich von Anfang misstrauisch sein sollen. Seit wann kommen Pakete morgens um neun Uhr und seit wann haben Paketzusteller keinen eigenen Stift dabei?«
»Das hätte jedem passieren können«, meinte Elias. »Wer denkt schon an einen Überfall, wenn ein Postbote vor der Tür steht?«
»Du hast ja recht«, sagte Gustav und winkte ab. »Aber lassen wir das. Lasst uns mit einem freudigen Thema weitermachen.« Er blätterte in seinen Notizen und blickte aufgeregt in die Runde. »Erinnert ihr euch noch, was ich vor zwei Tagen gesagt habe? Dass es sich wahrscheinlich um einen Erfahrungsbericht aus dem vierten Kreuzzug handelt, der uns eine neue Sichtweise bescheren könnte?«
Emma und Elias nickten.
»Also, von solch elementarer Bedeutung wie ich zuerst angenommen habe, ist es nicht«, fuhr er fort. »Um das endgültig beurteilen zu können, fehlen uns die restlichen Seiten. Fakt ist, dass die beiden Dokumente, die Elias später gefunden hat, sich unmittelbar an das Erste anfügen. Das eine ist davor, das zweite Dokument ist chronologisch danach einzuordnen.« Der Professor blätterte noch einmal in seinen Notizen, bevor er zu einer weiteren Erklärung ausholte. »Brisant sind weniger die Dokumente an sich, obwohl sie durchaus einen nicht zu verachtenden Wert haben, als das, über was der Schreiber berichtete beziehungsweise was er vorhatte zu tun. Man kann sagen, dass diese Papiere hier ein mittelalterliches Tagebuch darstellen, geschrieben von einem gewissen Arusch. Dieser Arusch hat seine Reise nach Konstantinopel im südosttürkischen Edessa begonnen. Er
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