Die siebte Gemeinde (German Edition)
das Gegenstück zu der schwarzen Kommode mit den zwölf Schubladen.«
»Was haben Sie sonst noch herausgefunden?«
Elias schaute fragend zu Emma, die mit den Schultern zuckte.
»Ich meine«, setzte Victoria fort, »konnten Sie schon etwas Brauchbares auf den Dokumenten entziffern?«
»Woher zum Teufel …?«
»Das würde zu lange dauern«, unterbrach Victoria Elias. »Wir haben nicht lange Zeit.«
»Warum? Was ist hier los?« Emma ging in die Knie, um das Gesteck am Rand der Blumen abzustellen und schnellte ruckartig zurück. »Warum sollten wir nicht einfach zur Polizei gehen?«
»Nicht hier, schnell jetzt, wie viel konnten Sie schon übersetzen?«
»Wir wissen«, begann Elias, »dass damals ein Mann den siebten Brief des Propheten Johannes an die Gemeinde Lao…irgendwas bei sich hatte und nicht wollte, dass die Briefe und das Leichentuch Christi am selben Ort sind.«
»Dann wissen Sie das Nötigste, um alles verstehen zu können. Bitte stellen Sie meine Anweisungen nicht in Frage.«
»Welche Anweisungen?«, fragte Elias. Emmas energischer Blick traf ihn, und er verstummte.
»Warum tun Sie es nicht selbst?«, fragte Emma.
»Steht drin.« Victoria nickte zu dem Grab. »Sehen Sie das hier? Dort sollte eigentlich erst sein Vater liegen. Sie müssen schnell handeln, am Besten noch heute. Ich denke, das Grabtuch ist bereits gestohlen worden.«
»Das Tuch kann man nicht einfach so stehlen«, sagte Elias.
Victoria löste ihre Augen vom Boden, schaute ihn eindringlich an und drehte den Kopf zurück zum Grab. »Die hatten Hunderte Jahre Zeit es zu fälschen. Glauben Sie mir, das merkt keiner in den nächsten Tagen.«
»Die? Meinen Sie die Gemeinschaft des himmlischen Jerusalems?«
»Was hat es mit dem Erdbeben auf sich?« Emma konnte sich die Frage nicht verkneifen.
»Gehen Sie.« Victoria wurde zunehmend unruhiger.
»Ich habe noch so viele Fragen …«
»Gehen Sie!«
Emma nickte und ließ ihren Blick über den Friedhof schweifen. »Na gut, wir wollten nicht weiter stören.« Sie drehte sich und griff Elias am Ärmel. »Los, komm!«
Victoria rührte sich nicht und blieb stocksteif stehen.
Elias warf Victoria einen wehmütigen Blick nach und folgte Emma, die bereits wenige Schritte enteilt war.
»Was ist?«, fragte er, als er zu ihr aufgeschlossen hatte.
»Nicht jetzt«, raunzte Emma ihn an. »Siehst du den Mann dort auf dem zweiten Weg, rechts? Nicht hinschauen, du Idiot. Der war schon hier, als wir vorhin gekommen sind.«
Elias versuchte, etwas zu erkennen, getraute sich aber nicht, den Kopf zu drehen. Schemenhaft nahm er eine riesenhafte dunkle Gestalt wahr, die sich langsam über den Parallelweg hinweg auf Victoria zubewegte.
»Hast du etwas von ihr zugesteckt bekommen«, fragte Elias ungeduldig, kaum als sie den Friedhof verlassen hatten. »Das habe ich gar nicht mitbekommen?«
»Ja, habe ich. Los jetzt, ich sitze wie auf heißen Kohlen, und hier kann ich es unmöglich herausholen.«
Im Laufschritt eilten sie zurück zum Laden. Im Büro holte Emma ein kleines Papierviereck aus ihrer Jacke und faltete es sorgfältig auseinander. Es handelte sich um vier mittelgroße Blätter, die von oben bis unten handschriftlich beschrieben waren. Emma las die Zeilen vor.
Alex Karakedis war schon den ganzen Tag auf den Versen von Victoria. In den letzten Tagen hatte er seine Deckung etwas schleifen lassen. Victoria wusste ohnehin, dass er sie verfolgte. Wozu musste er sich da noch verstecken? In ein paar Stunden würde sich die Sache von selbst erledigt haben. Das Tuch hatten sie bereits. Noch nie war die Gemeinschaft in ihrer langen Geschichte so weit gekommen. Bisher hatte es erst ein Meister so weit wie sie geschafft. Lediglich Manuel Kranto, der 35. Meister, hätte es beinahe geschafft, die Briefe mit dem Tuch zu vereinen.
Alex war stolz. Er hatte einen großen Anteil dazu beigetragen. Ihm hatten sie es zu verdanken, dass die zwischenzeitig verschollene Rolle von Ephesos wieder aufgetaucht war. Und er war es auch, der sie morgen lesen durfte. Aber das war morgen. Heute musste er sich um Victoria kümmern.
Vor einer halben Stunde war sie aus ihrem Haus gekommen und in ihr Auto gestiegen. Er brauchte sich nicht zu beeilen, denn er wusste, wo sie hinfuhr. Jeden Tag verließ sie zur gleichen Zeit das Haus und besuchte Patricks Grab. In den ersten Tagen war er noch ins Schwitzen geraten, um sie im Stadtverkehr nicht aus den Augen zu verlieren, aber er wurde zunehmend routinierter, und Victoria wurde
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