Die siebte Gemeinde (German Edition)
man damals innerhalb kürzester Zeit die Bevölkerung von über einer halben Million Einwohner auf unter 50.000. Tot und Zerstörung, die klassischen Vorboten der Offenbarung des Johannes.
Die Gemeinschaft besitzt bereits sechs Briefe und benötigt nur noch den siebten und letzten Brief. In ihm sollen die Worte stehen, die laut Prophezeiung von jeder Gemeinde als Läuterung und Martyrium gesprochen werden sollen. Denn erst, wenn alle Gemeinden gleichzeitig Buße tun, erfüllt sich die Prophezeiung. Denn so soll es geschrieben stehen: ›Rückkehr Gottes‹ und ›Läuterung der Gemeinden‹, das sind die Grundaussagen der Offenbarung, auch in der Version, wie sie heute in der Bibel steht. Deshalb ist sich die Gemeinschaft auch so sicher, dass sie mit ihrer Theorie richtig liegen.
Wenn Sie glauben, das hat sich bis hier her schon verrückt angehört, wird es nun noch abenteuerlicher: Außerdem besagt die Theorie der Gemeinschaft, dass die Worte der Läuterung von einem Erben der jeweiligen Gemeinde aufgesagt werden soll. Wie Sie vielleicht wissen, waren die sieben Gemeinden aus der Offenbarung des Johannes allesamt reale Städte. Meist lagen sie in der heutigen Türkei. Die Gemeinschaft hat sich aus diesem Grund in all den Jahren immer wieder die ältesten Stammbäume aus den Regionen beschafft und scharen daher sieben Freiwillige um sich, die bereit sind, sich zu opfern.
Ich hoffe, Sie sind noch bei mir und halten mich nicht für verrückt, denn nun komme ich zum Kern meines eigentlichen Problems. Eine dieser Gemeinden war Laodizea, eine antike Stadt in der Nähe des heutigen Denizli. Es heißt, je reiner das Herz des Aufsagenden und je reiner dessen Blut, desto segensreicher ist es für die neue Heilige Stadt und desto glorreicher wird sie auferstehen. Demnach sucht sich die Gemeinschaft überwiegend Kinder, formen und manipulieren sie für ihre Zwecke.
Arusch, der Mann aus einem Tagebuchfragment, er ist einer meiner Vorfahren. Dank seinen Aufzeichnungen lässt sich unser Stammbaum bis nach Laodizea zurückverfolgen. Das hat die Gemeinschaft herausgefunden, und deshalb haben sie meinen Sohn Nathan entführt. Die besagten Worte Laodizeas soll er aufsagen. Allein dazu benötigen sie ihn. Mein Sohn ist noch ein Kind, und makelloser und reiner geht es nicht.
Bis ins Jahr 1204 war der siebte Brief, der an Laodizea geschrieben wurde, im Besitz meiner Familie. Danach bewahren wir lediglich die Kenntnis über dessen Existenz und möglichen Aufenthaltsort auf.
Arusch hat den wichtigsten Teil des Briefes Philipp von Ryle, einem Kreuzritter, der ihm zu dieser Zeit ein Freund geworden ist, anvertraut. Philipp hat den Brief nach seinem Tod an seinen Sohn, Gerard von Ryle, weitergegeben. Anschließend hat Gerard von Ryle, so nehmen wir an, als Baumeister des Kölner Doms die Rolle in den Mauern des alten Domes versteckt. Doch Gerard stürzte vom Gerüst, bevor er jemandem sagen konnte, wo genau sich das Versteck befindet.
Aruschs Aufzeichnungen bis zum Jahre 1204, also das Tagebuch, von dem Sie Teile gefunden haben, sowie der Anfang des siebten Briefes, hat ein gewisser Nazares mit sich genommen. Nazares, ebenfalls ein Freund Aruschs, hatte sich Zisterziensermönchen angeschlossen und ist am Ende seiner Missionarsreise in Altenberg gelandet, wo er sich im Jahr 1259 an der Grundsteinlegung des Altenberger Klosters beteiligt hat. Dort wurden die Dokumente jahrhundertelang bei den Mönchen aufbewahrt und waren vor der Gemeinschaft sicher. Seine Gebeine liegen übrigens noch heute dort.
Arusch selbst hat eine Frau namens Viktorianah geheiratet und sich mit ihr in Griechenland niedergelassen. Im Laufe der Jahre ist seine Familie, meine Vorfahren, nach Deutschland umgesiedelt. Wir haben es jahrelang geschafft, das Geheimnis über den Aufenthalt des siebten Briefes zu bewahren. Ehrlich gesagt hatten wir geglaubt, dass Nazares’ Unterlagen längst nicht mehr existieren, denn die Zisterzienser sind bereits im 19. Jahrhundert aus dem Dom abgezogen. Doch müssen die Papiere all die Jahre in den Altbeständen herumgelegen haben, ohne dass sich jemand dafür interessiert hatte. Als sich die Verwaltung des Domes anlässlich der Renovierung letztes Jahr entschloss, alte Bestände zu veräußern, nahm das Unheil seinen Lauf. Irgendwie kam die Gemeinschaft in den Besitz von Teilen der Aufzeichnungen, und seither jagen sie durch die Stadt und spüren sämtliche Personen auf, die etwas aus Altenberg erworben haben, so auch Robert
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